Hat Ihr Unternehmen eine schriftlich festgelegte Klima- oder Nachhaltigkeitsstrategie? Das wollte EY von 600 Unternehmen in Österreich wissen, die nicht an der Börse notiert sind. Die Antworten zeigen einen klaren Trend, diese heimischen Betriebe verlieren zunehmend das Interesse an dem Thema.

Fast die Hälfte verfügt aktuell über keine Nachhaltigkeitsstrategie und plant mittelfristig auch keine. Jene, die in den kommenden zwei Jahren eine solche etablieren wollen, wurden deutlich weniger. Und auch wenn 40 Prozent der Unternehmen einen Plan niedergeschrieben haben, kamen verglichen zu 2022 verhältnismäßig wenige dazu (siehe Grafik). Am weitesten verbreitet sind Nachhaltigkeitsstrategien in den Bereichen Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur.

Ein Balkendiagrimm mit den Ergebnissen einer Umfrage, wer Klimaschutzmaßnahmen setzt und wer nicht
40 Prozent der Mittelständler verfügen über eine schriftliche Nachhaltigkeitsstrategie – 45 Prozent der Unternehmen haben keine und wollen eine solche auch nicht.
Screenshot EY Klimaschutz-Studie

Compliance dominiert

"Bei den Unternehmen herrscht eine gewisse Müdigkeit, das Thema steht schon so lange im Fokus, dass viele nichts mehr davon hören wollen", sagt Nachhaltigkeitsexperte Willibald Kaltenbrunner zum STANDARD. "Nachhaltigkeit ist immer stärker von Compliance getrieben, zahlreichen Firmen geht es nur darum, die Regulative einzuhalten. Zu einem Schritt darüber hinaus kommen sie gar nicht." Kaltenbrunner ist Geschäftsführer der Beratungsagentur Denkstatt, die seit Dienstag offiziell zum Unternehmensnetzwerk von EY gehört und von nun an unter EY Denkstatt firmiert. Man versteht sich nach der Fusion als die größte Nachhaltigkeitsberatungs- und -prüfungsorganisation am österreichischen Markt.

Besagte Müdigkeit unterstreicht auch ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Der Anteil jener Unternehmen, die gar keine Maßnahmen gegen den Klimawandel treffen, ist heuer deutlich höher als im Vorjahr (22 Prozent gegenüber 14 Prozent). Das habe mit "low hanging fruits" zu tun, meint Kaltenbrunner. "Technologische Anpassungen sind oft ohne großen Aufwand durchführbar und bei den meisten Unternehmen bereits passiert. Alles darüber hinaus ist zeitintensiver und mühsamer – dementsprechend lassen die Maßnahmen nach."

Same same, but different

Der österreichische Mittelstand ist damit nicht allein, diese Tendenz gibt es weltweit, zeigt eine Erhebung der Organisation Net Zero Tracker. Demnach sind die größten nicht börsennotierten Unternehmen der Welt beim Klimaschutz deutlich weniger ehrgeizig als gelistete Firmen. Von den hundert größten Unternehmen in privater Hand hätten sich nur 40 Ziele mit Blick auf ihre Klimabilanz gesetzt. Nur acht hätten konkrete Pläne formuliert, wie diese Ziele zu erreichen sind.

Von den 100 größten börsennotierten Unternehmen hingegen hätten 70 Prozent Klimaschutzziele festgelegt. Nicht börsennotierte Firmen stünden nicht unter demselben Druck "wie Unternehmen, die an der Börse Investoren anlocken wollen", heißt es bei Net Zero Tracker.

Lächelnde Frau steckt Ladegerät am Elektroauto-Ladestation ein
Die Ökologisierung des Fuhrparks gehört bei Unternehmen zu den beliebtesten Maßnahmen, wenn es um Klimaschutz geht. Angesichts der hohen Förderungen verwundert das wenig.
IMAGO/Josep Suria

Politik nicht streng genug

Gunther Reimoser, Country Managing Partner von EY Österreich, sieht diese Entwicklung auch von zu zahmer Politik beeinflusst: "Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) trifft vorerst nur größere Unternehmen, und auch bei denen ist der österreichische Gesetzgeber mit der Umsetzung säumig", sagt Reimoser. Man berufe sich auf schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und sei vom Gas gegangen. "Wenn die Politik nicht strenger wird, konzentrieren sich Unternehmen eher darauf, was das Umfeld verlangt oder die Konkurrenz macht."

Dass Klimaschutzmaßnahmen stark mit der Unternehmensgröße zusammenhängen, kommt für Reimoser und Kaltenbrunner nicht ganz überraschend. Eines hätten sie aber nicht in der Form erwartet: Die am häufigsten ergriffene Maßnahme ist die Bewusstseinsbildung bei Mitarbeitenden, gefolgt von der Ökologisierung des Fuhrparks und der Erhöhung des Erneuerbaren-Anteils. Üblicherweise stünden technologische Erneuerungen an erster Stelle. (Andreas Danzer, 23.4.2024)