Wien – Österreichs Autozulieferindustrie pocht auf mehr und neue Förderungen, um die Transformation der Branche hin zur Dekarbonisierung zu schaffen. Das EU-Beihilfenrecht erlaube die Errichtung neuer Produktionsstätten aktuell nur in ausgewählten Ländern, kritisierte der Geschäftsführer des Fachverbands Fahrzeugindustrie, Karl-Heinz Rauscher, der bis zu deren Verkauf die Lkw-Fertigung von MAN in Steyr leitete, in einer Pressekonferenz am Dienstag. Gemeint sind damit insbesondere die im Zuge der Osterweiterung zur EU gekommenen Staaten.

Der Hintergrund des Rufs nach neuen Förderungen: Das Umspuren von Produktionsprozessen und die Entwicklung neuer, alternativer Produkte kann nach dem neuen Beihilfenregime, das in Form des Net Zero Industry Act gerade im EU-Parlament zur Abstimmung vorliegt, nicht so ohne weiteres staatlich gefördert werden. Dieser Umstand beschäftigt Österreich seit gut einem Jahr, eine richtungsweisende Adaptierung des Beihilfenregimes ist dem zuständigen Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) bis dato noch nicht im gewünschten Ausmaß gelungen.

Ein batterieelektrisch betriebener Transporter wurde auf der für die Industrie wichtigen Hannover Messe präsentiert.
Auf der Hannover-Messe dominieren dieser Tage Anwendungen um CO2-neutral erzeugte Energie und Ladestation für E-Transporter präsentiert – alles Themen, die auch Österreichs Automobilzulieferer umtreiben.
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Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hegt diesbezüglich Hoffnungen an die neue EU-Kommission, die im Herbst bestellt wird. Die Zeit bis dahin werde wahrscheinlich zu knapp, um grundlegende Änderungen zu erreichen. Die Branche sei mit 355.000 Beschäftigten und einer Bruttowertschöpfung von 18 Milliarden Euro eine gewichtige in Österreich und in hohem Maße abhängig von einem gut funktionierenden Binnenmarkt. Schließlich würden zwei Drittel der Erzeugnisse im EU-Ausland abgesetzt, referierte Edtstadler das Leistungsregister. Europa laufe Gefahr, die Vorreiterrolle abzugeben an China oder die USA, das müsse verhindert werden.

Ungleichgewicht

Bis ein neues Förderregime vorliegt, verlangt die Kfz-Industrie zumindest die Fortschreibung der bisherigen Förderungen aus der sogenannten Klima- und Transformationsoffensive. Mit dieser 2022 aufgelegten Programmschiene werden Förderungen für Forschung & Entwicklung (F&E), Qualifizierungsmaßnahmen, Standort- und Investitionsförderung gewährt. Allerdings gibt es ein Ungleichgewicht, denn von den insgesamt 5,7 Milliarden Euro fallen nur 600 Millionen dem Wirtschaftsministerium zu, um Österreichs Industrie bei der Transformation zu einer auf erneuerbaren Energie basierenden und digitalisierten Wirtschaft zu unterstützen.

Auch deshalb wird seitens der Industrie bisweilen eine Erhöhung der Forschungsprämie ventiliert, der Ruf wurde bis dato aber nicht erhört. Die Forschungsprämie gehört zu den Eckpfeilern der Innovationsförderung in Österreich. 2018 wurde der Fördersatz von zwölf auf 14 Prozent erhöht, und das Instrument ist gut nachgefragt: 2017 wurden laut Finanzministerium 713 Millionen Euro beantragt und 586 Millionen ausgezahlt. 2020 wurde laut Erhebung des Budgetdienstes des Parlaments bei den Auszahlungen die Grenze von einer Milliarde Euro geknackt, 2022 beliefen sich die Steuergutschriften auf 759 Millionen Euro. Es brauche bei den Förderungen Technologieoffenheit, betonten die Branchenakteure.

"Autoland Österreich"

Das Aus für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 bezeichnete Edtstadler erwartungsgemäß ebenso als den falschen Weg wie der Verbandschef der Automobilimporteure, Günter Kerle. "Österreich ist zu Recht ein Autoland." Die Branche sei in einem Transformationsprozess, Wasserstoffantriebe dürften nicht als Konkurrenz zur E-Mobilität gesehen werden. Wasserstofftechnologie sei insbesondere für den Schwerverkehr wichtig, betonte Josef Honeder, der Entwicklungschef von BMW in Steyr. Sei die Brennstoff-Tankstelleninfrastruktur für Lkws einmal geschaffen, könnte diese auch von Pkws genutzt werden. Das könnte den Durchbruch beschleunigen, denn Brennstofftechnologie ermögliche als Stromgenerator nicht nur deutlich mehr Reichweite als der batterieelektrische Antrieb, sondern erlaube deutlich kürzere Ladezeiten.

Hinsichtlich möglicher Strafzölle gegen chinesische Elektroautos gaben sich Ministerin Edtstadler und Autoindustrie sehr vorsichtig. Man dürfe Handelspartner nicht vergrämen, müsse mit Augenmaß vorgehen und vor allem nicht den eigenen Interessen schaden. Aber darüber muss sich wohl die nächste EU-Kommission die Köpfe zerbrechen. (Luise Ungerboeck, 23.4.2024)