Nehammer, Kogler im Hintergrund
Kann die Regierung Führungskompetenz vermitteln? Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
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Die Stärke des demokratisch bedenklichen Politikers Herbert Kickl sind zu einem großen Teil die Schwächen seiner Gegenspieler. Ist es nicht so, dass die anderen zu unattraktiv sind? Dass sie keine Führung bieten? Ist nicht alles verloren, solange die demokratischen Parteien so schwach sind – und über so schwachmatisches Personal verfügen?

Guter Punkt. Aber das Problem heute ist, dass in ganz Europa (und in den USA) eine "Konterrevolution der Rechtspopulisten gegen die liberale Demokratie" im Gange ist. Ziel ist eine autoritäre Herrschaft wie in Ungarn und letztlich auch Russland. Wie alle Extremen sind sie entschlossener, oft auch geschickter und abgefeimter als die Demokraten.

Aber weil die Demokraten im Moment keine Titanen wie Winston Churchill oder Franklin D. Roosevelt anzubieten haben, die einem neuen Faschismus Paroli bieten, ist die Demokratie deswegen nicht zum Kübeln.

Sagen, was notwendig ist

Wir haben, was wir haben, und damit müssen wir – fürs Erste – den Kampf bestreiten. Karl Nehammer hat grundsätzlich die richtigen Instinkte. Er lässt sich allerdings viel zu viel von Pseudo-Gurus dreinreden. Die stammen aus der Zeit des großen Blenders Sebastian Kurz und haben Nehammer erfolgreich eingeredet, dass man mit Identitätsthemen wie "Maibaum und Lederhosen" die Massen begeistert. Aber wichtiger ist, dass ein Kanzler Führungskompetenz in der Zeitenwende vermittelt; dass er den Leuten sagt, was notwendig ist und wie er das machen wird.

Andreas Babler spürt richtigerweise, dass es vielen Menschen im täglichen Überleben nicht mehr zusammengeht. Aber er ist nicht imstande, in seinem Wortschwall ein erkennbares wirtschaftspolitisches Konzept erkennbar zu machen. Und er lässt völlig aus bei staatspolitischen Themen. Hat wer was Erhellendes von ihm zum Ukrainekrieg und/oder zu unserer Abhängigkeit von Russland gehört?

Werner Kogler hat seinerzeit verstanden, dass es mit Sebastian Kurz nicht mehr geht. Eine politische Schlüsselleistung, aber dann ließ er sich unterbuttern. Beate Meinl-Reisinger bietet dem aufgeklärten Bürgertum eine Heimstatt. Jetzt müssen beide unmissverständlich klarmachen, dass das aufgeklärte, liberale Milieu in Österreich ernsthaft mitreden und mitgestalten will – vielleicht die Neos in einer Regierung, vielleicht die Grünen in einer neuen, linken Opposition.

"Der eigenen Klientel diverse Häppchen bieten, aber ja nicht den Leuten etwas abverlangen."

Sowohl die SPÖ wie auch die ÖVP betreiben die übliche Politik. Der eigenen Klientel diverse Häppchen bieten, aber ja nicht den Leuten etwas abverlangen. Das gilt vor allem für die Migrationspolitik. Die ÖVP will da Kickl "über-kickeln", scheut sich aber, einen wirklich umfassenden Plan auszuarbeiten, der erstens die unerwünschte Zuwanderung begrenzt, zweitens qualifizierte Zuwanderung fördert, drittens die bestehenden Parallelkulturen sozialpolitisch angeht und viertens das Staatsbürgerschaftsrecht ändert. Damit die hunderttausenden hier Geborenen, die auch nie wieder weggehen werden, nicht ewig ohne Wahlrecht dastehen. Die SPÖ hat auch keinen Plan, redet aber am liebsten gar nicht über das Thema.

Alles ändert sich derzeit. Die Lösung der extremen Rechten heißt "Zurück zur völkischen Autokratie". Die demokratischen Politiker, die wir haben, müssten sich nur zu der Erkenntnis durchringen, dass es so nicht weitergehen kann. (Hans Rauscher, 12.4.2024)