Auch im Fokus: der ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ, rechts) und sein damaliger Generalsekretär Peter Goldgruber.
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Nachdem ein früherer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, Egisto Ott, am Osterwochenende wegen des Verdachts der Spionage für Russland in U-Haft genommen wurde, beruft Bundeskanzler Karl Nehammer den Nationalen Sicherheitsrat ein. Das ist das "beratende Gremium in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik". Es gehören ihm außer Kanzler und Vizekanzler die einschlägigen Minister, die Vertreter der Parlamentsparteien und die Spitzen der einschlägigen Dienste an. Nehammer: "Wir müssen verhindern, dass russische Spionagenetzwerke unser Land bedrohen, indem sie politische Parteien unterwandern oder instrumentalisieren."

Schwer beschädigt

Damit hat der Kanzler zwei wesentliche und miteinander verschränkte Sachverhalte angesprochen: Einerseits besteht der Verdacht, dass Leute, die früher für den Verfassungsschutz arbeiteten, für den russischen Geheimdienst spioniert haben (in Zusammenarbeit mit dem früheren, nach Russland geflohenen Wirecard-Manager Jan Marsalek). Andererseits besteht der Verdacht, dass ebendiese Leute eine entscheidende Rolle bei der Beschädigung ebendieses Verfassungsschutzes der Republik Österreich gespielt haben – und zwar unter Mitwirkung und im Interesse der FPÖ beziehungsweise des damals amtierenden FPÖ-Innenministers Herbert Kickl. Dabei wurden sowohl die Bekämpfung des Rechtsextremismus wie das Vertrauen ausländischer Partnerdienste schwer beschädigt.

Investigative Journalisten von STANDARD, Falter, Die Presse, Profil und Der Spiegel haben an der Aufklärung mitgewirkt. Die sehr komplizierte Sache mit vielen Akteuren lässt sich nun auf folgende Vorgänge beziehungsweise Vermutungen verdichten: Im Jahr 2017 kursierte auch in Journalistenkreisen ein "Konvolut", in dem auf vielen Seiten teils sexueller Tratsch über die Zustände im BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) und über den damaligen schwarzen Kabinettschef im Innenministerium dargelegt wurde. Der damalige Chef des BVT, Peter Gridling, vermutet, dass ein Ex-Abteilungsleiter des BVT, Martin Weiss, der oder einer der Autoren sein könnte. Weiss ist derzeit in Dubai. Ein anderer Autor könnte laut Untersuchungen der Staatsanwaltschaft der Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott sein, der derzeit wegen Spionageverdachts in U-Haft sitzt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

Unterwanderte Parteien?

In der Folge unternahm der FPÖ-nahe damalige Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, einen Vorstoß bei der Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer. Sie sollte auf der Basis des "Konvoluts" tätig werden, es war ihr zunächst aber zu dünn. Dann brachte Goldgruber weitere Zeugen bei – es handelt sich dabei dem Vernehmen nach auch um die Verfasser des "Konvoluts" –, und die Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz wurde genehmigt. Mit entsprechenden Folgen. Kickl muss diesen Vorgang gebilligt, wenn nicht beauftragt haben. Im Endeffekt hätte demnach Kickl wissentlich oder unwissentlich Leute gegen den Verfassungsschutz intrigieren lassen, die im Verdacht stehen, für die Russen zu arbeiten. Zielt dorthin die Formulierung Nehammers von den "politischen Parteien", die "unterwandert" oder "instrumentalisiert" seien? (Hans Rauscher, 3.4.2024)