Das Schikaneder gilt als beliebter Treffpunkt für ein eher linkes Publikum.

Foto: robert newald

Weil sie das in der linken Szene beliebte Wiener Lokal Schikaneder Anfang des Jahres für einen Abend an die Junge ÖVP vermieteten, wurden die Betreiber online bedroht. Mit dem STANDARD haben Lisa und Johannes Wegenstein über ihre Erfahrungen, die sie "mitten im Shitstorm" sammelten, gesprochen.




Begonnen hat alles mit einem Facebook-Posting einer Ex-Mitarbeiterin, die erfahren hatte, dass die Junge ÖVP unser Lokal für einen Abend gemietet hat. Damit hätten wir unsere Werte, die linke Szene verraten, meinte sie, wir würden uns "mit den Nazis ins Bett legen".

Wir waren gerade auf Kurzurlaub in der Steiermark, haben das zunächst gar nicht mitbekommen. Wir sind erst aufmerksam geworden, als schnell hintereinander auf der Seite des Schikaneder plötzlich mehrere Dutzend schlechte Bewertungen abgegeben wurden. Ein Bekannter hat uns dann einen Link zum Ursprungsthread geschickt. Der war da schon mehrere Hundert Kommentare lang, die Beschimpfungen wurden immer wüster.

In Rage schreiben

Die Leute haben sich in Rage geschrieben: Wir hätten ihnen mit der Vermietung des Lokals ihren Freiraum geraubt, uns mit der rechten Regierung verbündet. Alles, was wir jemals gemacht haben, vom Menschenrechtsfilmfestival bis zu Diskussionsabenden, wurde in den Dreck gezogen.

Kinder in die Diskussion gezogen

Zu diesem Zeitpunkt wollten wir die Sache immer noch ignorieren, wir dachten, wir sitzen das aus. Bis sich uns unbekannte Menschen plötzlich nicht mehr nur über die Sache alteriert haben, sondern es persönlich wurde. Es wurde vermeintliches Wissen aus unserem Privatleben gepostet, auf einmal unsere Töchter mit reingezogen. Da ist uns der Kragen geplatzt, Lisa hat gepostet, dass man unsere Kinder aus der Diskussion rauslassen soll.

Wahlweise "Nazis" oder "geldgierige Juden"

Ab dem Moment ging es erst richtig los, es war erschreckend, wie sich der Hass seine Bahn bricht, wenn die Onlinemeute ihr Opfer gefunden hat. Johannes wurde als "misogyner Schwanz" bezeichnet, man hat uns wahlweise als "Nazis" oder "geldgierige Juden" beschimpft. Manche haben angekündigt, die Scheiben unseres Lokals einzuschmeißen. Wir bekamen Nachrichten, dass man uns fertigmachen wird, weil wir mit den Rechten kooperieren. Extrem enttäuschend war, dass die massivsten Attacken genau von jenen Menschen kamen, die sonst für einen offenen und liberalen Umgang plädieren.

Völlig hysterisch

Niemand kann sich vorstellen, wie massiv so ein Shitstorm wirkt, ehe er nicht selbst drinsteht. Der Druck ist irre, vor allem wenn die Eskalation über Tage geht. Wir sind unterschiedlich damit umgegangen: Johannes abgeklärter, für ihn war es eher ein Sturm der Empörung mit Shit. Ich habe kaum geschlafen, ständig die boshaften Postings gelesen.

Man fühlt sich wie in einem Wahn, das zieht sich in dieser Zeit sogar ins reale Leben. Man hat das Gefühl, auf der Straße angestarrt zu werden, Angst, plötzlich attackiert zu werden. Für den Abend des Events bekamen wir Polizeischutz. Dabei fanden die angekündigten Protestaktionen nicht einmal statt, die Drohgesten waren rein virtuell. Rückblickend können wir lachen, weil alles so absurd hysterisch war. Trotzdem bleibt etwas: Man wird alerter.

(Protokoll: Nana Siebert, 29.8.2018)