Im Biergarten der Zukunft: Bachmannpreisträger Ferdinand Schmalz liest in Salzburg.

Foto: privat

jubiläen werden nicht selten mit schildern ausgewiesen. darauf eine zahl, umgeben von einem lorbeerkranz, und der name des jubilars oder der jubilarin. mir fallen solche schilder oft erst auf, wenn sie selbst schon verrostet sind, wenn also das jubiläumsschild selbst seine ersten jubiläen hinter sich gebracht hat. an diesen alterserscheinungen des jubiläumsschildes lassen sich dann die jahre erahnen, die man der abgebildeten zahl noch zurechnen sollte, um auf das eigentliche alter zu kommen. unweit meiner wiener wohnung hängt ein besonders schönes exemplar. inmitten der kleingartensiedlung auf der schmelz kann man dort auf einem solchen schild in einem kranz aus eichenlaub lesen: "90 jahre zukunft".

mit jubiläen versuchen wir dem vergangenen einen wert zuzuschreiben. jubiläen blicken wie walter benjamins engel der geschichte immer nur nach hinten, "ein sturm weht vom paradies her, der sich in seinen flügeln verfangen hat ..." jubiläen sehen die trümmer der geschichte und verklären sie ins nostalgische. der jubilierend nostalgische blick sieht zurück, und statt der geschichtstrümmer sieht er nur das kleingartenparadies. sieht nicht den k. u. k. truppenübungsplatz auf der schmelz, die zerfallende monarchie, den bürgerkrieg, sieht nicht das rote wien mit seinem verschwenderischen umgang mit der zukunft, sieht auch nicht das an den kleingartenverein angrenzende polizistenwohnheim, in dem schon seit jahren nur mehr rechtspopulistisch gewählt wird.

der jubilierende engel der nostalgie sieht das alles nicht. will er gar nicht. aber wenn wir auf das schild blicken: "90 jahre zukunft", erkennen wir vielleicht wie verkehrt, wie verklärt dieser rückblick ist.

und natürlich wissen wir mittlerweile, dass der kleingartenverein "zukunft" heißt. und dass das schild vor dem "schutzhaus zukunft" hängt und dessen bestehen feiern soll. aber geht es nicht genau darum, diesen blickwechsel zu schaffen? vielleicht wortwörtlich die zukunft wieder als schutzhaus entdecken. jubiläen zelebrieren, die nicht das feiern, was hinter uns liegt, die nicht das feiern, was oft nur von fadenscheiniger jubiläumswürdigkeit ist. sondern nun einen heben im schutzhaus zukunft, einen auf die 90 jahre zukunft heben, die da hoffnungsvoll wie ein neugeborenes vor uns liegen. und dort im biergarten der zukunft zwischen den trümmern von gestern und den trümmern von morgen möglichkeiten finden. neue perspektiven erblicken. (Ferdinand Schmalz, 19.5.2018)