Die Videoüberwachung soll in Österreich massiv ausgebaut werden.

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Die Bundesregierung hat ihren Entwurf für ein massives Überwachungspaket vorgelegt. Es sieht eine drastische Verschärfung aktueller Maßnahmen und völlig neue Ermittlungsmethoden wie den Einsatz von Spionagesoftware vor. Während die FPÖ ähnliche Pläne als Oppositionspartei noch bekämpft hat, geht das vom freiheitlichen Innenminister Herbert Kickl eingebrachte Paket teils sogar noch weiter als einstige rot-schwarze Vorschläge. Ein Überblick über die wichtigsten Eckpunkte:

Überwachungssoftware

Kernstück des Überwachungspakets ist der sogenannte Bundestrojaner. Er soll es Behörden ermöglichen, verschlüsselte Inhalte auszulesen. Strafbehörden argumentieren, durch den Einsatz von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Messengern wie Whatsapp "blind" geworden zu sein. Früher konnten sie Nachrichten auf dem Weg von Sender zu Empfänger abfangen. Bei verschlüsselten Inhalten bringt das nichts: Dann sehen Behörden statt des Inhalts nur eine sinnfreie Aneinanderreihung von Ziffern und Buchstaben. Diese können nicht "aufgebrochen", also in ihren ursprünglichen Inhalt zurückverwandelt werden. Das kann nur das Gerät jenes Nutzers, für den die Nachricht bestimmt war. Deshalb wollen sich Behörden statt auf die Auslesung des Transports nun auf die Überwachung von Endgeräten konzentrieren. Hier kommt der Bundestrojaner ins Spiel. Es handelt sich dabei um eine Software, die entweder aus der Ferne oder physisch am Zielobjekt installiert wird. Dabei kann es sich um PCs, Tablets, Smartphones oder Spielekonsolen handeln. Der Trojaner überwacht dann, welche "Nachrichten" von dem Gerät empfangen und versandt werden.

Mit dem Begriff sind aber nicht nur Textnachrichten in einem Chatprogramm gemeint. Unter Nachrichten werden laut Gesetzeserläuterungen vielmehr auch "der Aufruf von Websites, das Surfen im Internet und unverschlüsselte Übertragungsvorgänge in eine Cloud" verstanden. Gegner des Trojaners argumentieren, dass diese Maßnahme weitaus intensiver in die Grundrechte eingreift als etwa das Abhören einer Telefonanlage. Dazu kommt, dass für die Installation der Überwachungssoftware Sicherheitslücken ausgenützt werden müssen. Der Staat muss auf einem "grauen Markt", auf dem Kriminelle und Regierungen mitbieten, Einfallstore in Smartphones und Rechner erwerben. Die Kosten für die Anschaffung und Lizenzierung von Überwachungssoftware beziffert das Innenministerium mit insgesamt 5,4 Millionen Euro bis 2022. Zum Einsatz soll der Trojaner erstmals am 1. April 2020 kommen.

Handyortung

Der Einsatz sogenannter Imsi-Catcher soll mit dem Überwachungspaket gesetzlich geregelt werden. Derartige Geräte, die Handys in einem bestimmten Umkreis erkennen, waren schon bislang im Einsatz. Imsi-Catcher gaukeln Geräten ein Mobilfunknetz vor und bringen sie dazu, sich mit ihnen zu verbinden.

Kritik des Street-Art-Künstlers Banksy an staatlicher Überwachung.
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Daraufhin können bestimmte Daten, allen voran die "International Mobile Subscriber Identity" (Imsi – daher der Name) ausgelesen werden. Imsi-Catcher können auch Telefonate abhören. Das soll in Österreich aber illegal sein. Ihr Einsatz "darf keiner Gesprächsüberwachung dienen", heißt es. Die Geräte können etwa verwendet werden, um Teilnehmer einer Demo zu identifizieren.

Beschlagnahme von Post

Künftig soll es Behörden erleichtert werden, Briefe und Pakete zu öffnen. Auch das hat mit dem Internet zu tun, und zwar mit dessen "dunklem" Teil. Denn das sogenannte Dark Web hat sich zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Drogen entwickelt. Da diese ja nicht virtuell versandt werden können, greifen Dealer auf den altmodischen Postweg zurück. Künftig soll die Polizei nach gerichtlicher Bewilligung Postsendungen abfangen und untersuchen dürfen, in denen sie Suchtmittel vermutet. Erst Mitte Jänner waren in Wien zwei Darknet-Dealer festgenommen worden, die sich mit der Post Rauschgift liefern ließen. Sie planten, die im Netz bestellten Drogen im Wert von 17.000 Euro weiterzuverkaufen.

Videoüberwachung

Öffentliche Institutionen und private Unternehmen, die einen "öffentlichen Versorgungsauftrag" erfüllen – also etwa Flughäfen –, müssen künftig vier Wochen lang Aufnahmen von Überwachungskameras speichern. Bei einem Anlassfall müssen diese Videos an die Polizei übergeben werden. Außerdem dürfen sie nicht gelöscht werden, sobald eine Kenntnisnahme des Herausgabewunsches erfolgt. Im Falle eines Echtzeit-Streamings können Behörden ebenfalls auf den Videofeed zugreifen. Kritik sehen in der Maßnahme eine Totalüberwachung öffentlicher Plätze. Im Regierungsprogramm hatten sich ÖVP und FPÖ zu Investitionen in den Bereich der Gesichtserkennung bekannt.

Autokennzeichenerfassung

Aufgenommene Autokennzeichen sollen künftig zwei Wochen lang gespeichert werden. Schon jetzt nehmen Kameras auf Österreichs Autobahnen Kennzeichen ins Visier. Ein System prüft dann, ob das Auto als gestohlen gemeldet wurde. Besteht kein Treffer, werden die Daten wieder gelöscht. Das ändert sich mit dem Überwachungspaket. Außerdem werden noch mehr Informationen aufgenommen – zum Beispiel Marke, Type und Farbe des Fahrzeugs. Auch der Fahrzeuglenker gerät ins Visier. Ausgangspunkt des Zugriffs ist aber weiterhin eine Liste gestohlener Kennzeichen. Kritiker der Maßnahme argumentieren jedoch, dass diese einen ersten Schritt in Richtung einer Totalüberwachung von Reisenden darstellt.

Quick Freeze

Einfrieren ist eine beliebte Form der Vorrathaltung. Diese kommt künftig auch bei der Datensammlung zum Einsatz. Der Quick Freeze soll eine grundrechtskonforme Alternative zur Vorratsdatenspeicherung sein, die von mehreren Höchstgerichten gekippt worden ist. Während die Vorratsdatenspeicherung Informationen zu allen Bürgern speicherte, soll Quick Freeze nur beim "Vorliegen eines Anfangsverdachts" zum Einsatz kommen. Telekomfirmen müssen dann Daten von Zielpersonen bis zu zwölf Monate weiter speichern, anstatt sie wie bislang vorgesehen nach maximal drei Monaten zu löschen. Im Einzelfall dürfen Behörden dann auf staatsanwaltschaftliche Anordnung auf diese Daten zugreifen. Erhärtet sich der Verdacht nicht, werden die Informationen gelöscht und der Betroffene informiert. Durch die lange Speicherdauer könnte der Quick Freeze einer höchstrichterlichen Überprüfung nicht standhalten, sagt Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff zum STANDARD. Kritiker bezeichnen die Maßnahme als "Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür". In anderen europäischen Ländern, etwa in Deutschland, ist eine "echte" Vorratsdatenspeicherung im Einsatz. In Österreich war diese Maßnahme vom Verfassungsgerichtshof außer Kraft gesetzt worden.

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Protest gegen Videoüberwachung in Berlin.
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Die Regierung will außerdem, dass Käufer von Mobilfunkwertkarten künftig registriert werden. Es sei erforderlich, dass Person, die Prepaid-SIM-Karten kaufen, "im Bedarfsfall identifizierbar sind", heißt es in den Erläuterungen. Derzeit sind in Österreich über fünf Millionen derartiger Wertkartenangebote im Umlauf. Laut einer Studie der Interessenvertretung der Telekomindustrie gibt es keine Belege dafür, dass die Registrierung von SIM-Karten zu einer besseren Verbrechensaufklärung führt oder gegen Terrorismus hilft. Tschechien, Neuseeland, Kanada, Rumänien, Großbritannien und die EU-Kommission haben die Maßnahme analysiert und sich anschließend aufgrund der fehlenden Belege dagegen entschieden. (Fabian Schmid, Markus Sulzbacher, 22.2. 2018)