Das Eingangsportal der Nationalbank in Wien
Die Regierung hat die OeNB-Führungsjobs frühzeitig ausgeschrieben, sodass sie noch selbst entscheiden kann, wer reinkommt. Belegschaftsvertreter orten politischen Druck.
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Die sehr frühzeitige Ausschreibung der Spitzenjobs in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und die landläufige Annahme, dass der jetzige Wirtschaftsminister Martin Kocher (von der ÖVP nominiert) mit seiner Bewerbung um den Gouverneursposten wohl Erfolg haben werde, sorgen in Teilen der OeNB-Belegschaft für Unmut. Die "Unabhängige Betriebsratsliste in der OeNB; OeNB 2030" meldete sich jüngst in einem Flugblatt zu Wort, in dem es heißt, "die Unabhängigkeit der OeNB wird von der Parteipolitik systematisch untergraben. Nicht immer wurden und werden die fähigsten Kräfte in Führungs- und Aufsichtspositionen ernannt." Man stelle zwar das Recht der Regierung, Direktorium und Generalratsmitglieder zu ernennen, nicht infrage, es müsse aber auch gewährleistet sein, dass die Qualifiziertesten ausgewählt werden. Oft schlage aber Parteitreue Qualifikation, teilweise gebe es "haarsträubende Unvereinbarkeiten, wie etwa bei Präsident Mahrer". Er ist ja Präsident des Generalrats und Präsident der Wirtschaftskammer, die auch die Interessen der Banken vertritt, die wiederum von der OeNB beaufsichtigt und Vor-Ort-geprüft werden.

Was derzeit, wie berichtet, besonders pikant ist: Das von Kocher, dem OeNB-Bewerber, geführte Wirtschaftsministerium beaufsichtigt die von Mahrer geführte Wirtschaftskammer. In seiner Rolle als Generalratspräsident hat Mahrer ein gewichtiges Wort bei der Auswahl der OeNB-Chefs mitzureden. Kocher, der demnächst sein Hearing wohl auch in Anwesenheit Mahrers haben wird, sieht darin keine Unvereinbarkeit.

"Druck von oben"

Zurück zur Kritik der Belegschaftsvertreter: "Die starke parteipolitische Ausrichtung der OeNB" könne den Analyse- und Meinungsprozess in der OeNB "kompromittieren", heißt es da – und: "Um nach oben zu kommen, werden kritische Positionen besser nicht geäußert, politischen Agenden wird die Rutsche gelegt." Referentinnen und Referenten seien "dem Druck von oben ausgesetzt, wenn ihre Analysen nicht das parteipolitisch gewünschte Ergebnis liefern", obwohl gerade in der OeNB Meinungsvielfalt wichtig sei. "Maulkörbe für parteipolitisch unerwünschte Analysen" lehne man ab.

Aus all dem leiten die Notenbanker die Forderung nach einem neuen Auswahlprozess für Direktoriums- und Generalratsmitglieder ab. Der solle mehrstufig und für die Öffentlichkeit transparent sein und internationalen Standards entsprechen. Konkret sollten "detaillierte Qualifikationskriterien" aufgenommen werden, jene für Vor-Ort-Prüfer oder Praktikanten etwa in der Volkswirtschaftsabteilung seien "aussagekräftiger als jene für die laufende Direktoriumsbesetzung". Gefordert wird zudem ein öffentliches Hearing vor dem Wirtschafts- und Finanzausschuss des Parlaments für alle, die es auf die Shortlist geschafft haben, und die Einbeziehung von internationalen Expertinnen und Experten. "Die Politik soll den Mut haben, auch unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten zu ernennen", wird das kommentiert.

Und, so die Forderung: "Im nächsten Direktorium müssen endlich wieder Frauen vertreten sein." Bisher habe die Politik in der mehr als 200-jährigen Geschichte der OeNB gerade einmal eine Handvoll Frauen in Präsidium und Direktorium gewählt. (Renate Graber, 11.5.2024)