Es ist in politischen Zirkeln ein geflügeltes Wort: "Nur ein Nixon konnte nach China gehen." Und es bezeichnet eine außerordentliche geopolitische Wende des Kalten Krieges. Nachdem der damalige US-Außenminister Henry Kissinger mit Geheimtreffen Vorarbeit geleistet hatte, flog der als besonders hart bekannte "Kalte Krieger" Richard Nixon 1972 nach China. Den USA war es gelungen, Peking aus dem schon brüchigen Bündnis mit Moskau zu lösen und die Sowjetunion empfindlich zu schwächen. Davon dürften viele in Washington träumen, wenn US-Außenminister Antony Blinken dieser Tage in Schanghai und Peking weilt. Nur ist die Realität eine andere.

Viel zu tun: Antony Blinken nach einer Pressekonferenz in der US-Botschaft in Peking.
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China ist aus mindestens zwei Gründen derzeit ein großes Problem für die Supermacht. Zum einen wird immer deutlicher, dass Russland den Krieg in der Ukraine wohl weitaus weniger erfolgreich hätte führen können ohne die Unterstützung aus Peking. Vergangene Woche noch hat sich Blinken in Italien darüber mokiert, dass China der Hauptlieferant für die russische Rüstungsindustrie sei. Das betreffe vor allem sogenannte Dual-Use-Güter, also Waren, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Peking zeigt unterdessen herzlich wenig Motivation, auf die russischen Öl- und Gaslieferungen zu verzichten und diese nicht mehr mit Hightech-Waren und Maschinen zu bezahlen. Das russisch-chinesische Handelsvolumen hat sich in den vergangenen vier Jahren mehr als verdoppelt.

Diese Kritik hat der US-Außenminister am Freitag auch deutlich wiederholt. Nach einer fünfeinhalbstündigen Zusammenkunft mit seinem Amtskollegen Wang Yi sagte Blinken, er habe "unsere ernsten Sorgen darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Volksrepublik China Russland Teile liefert, die Russlands brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine antreiben".

Angst vor der großen Verbilligung

Das zweite große Problem aus Sicht der USA sind die chinesischen Überkapazitäten. Chinesischen Firmen ist es mit starker staatlicher Unterstützung gelungen, nahezu die gesamte Wertschöpfungskette der Elektromobilität zu dominieren: vom Abbau der Rohstoffe in Afrika über die Herstellung von Batterien bis hin zu E-Autos. Die fertigen Produkte – weitaus günstiger als die der westlichen Konkurrenz – warten nun darauf, westliche Märkte zu fluten. Hinzu kommen Spekulationen über eine Yuan-Abwertung, die die chinesischen Produkte nochmals billiger machen würde.

Antony Blinken und Chinas Präsident Xi Jinping hatten einander nicht nur Freundliches zu sagen.
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Viel anbieten kann Blinken, der am Freitagnachmittag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammentraf, nicht. Und Drohungen lassen China eher kalt. Denn Sanktionen gegen chinesische Banken, die den Handel mit Russland abwickeln, hätten wohl den gegenteiligen Effekt: Sie würden nur den Trend verstärken, der sich ohnehin abzeichnet – ein vom US-Dollar unabhängiges Zahlungssystem.

Der Planet ist groß genug

So dürfte Blinkens Besuch ohne größere Ergebnisse zu Ende gehen. Nach dem Treffen am Freitagnachmittag war aus dem chinesischen Außenministerium zu hören, der Planet sei groß genug für China und die USA, um gemeinsam zu prosperieren. Pekings neue Machtposition in der Weltpolitik hat kürzlich auch der Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz gezeigt. Der hatte ebenfalls um mehr Druck auf Russland und fairere Handelspraktiken gebeten. Lange Zeit hatten die Worte deutscher Staatschefs noch Gewicht in Peking – nämlich als China auf deutsche Maschinen und Know-how angewiesen war. Sowohl Scholz als auch Blinken dürften dieser Tage zu spüren bekommen, dass die Ära, die Richard Nixon 1972 begonnen hat, zu Ende geht. (Philipp Mattheis, 26.4.2024)