Eine Atmosphäre der Subversion von zynischer Zwecklogik und zeitgeistiger Zärtelei prägt
Eine Atmosphäre der Subversion von zynischer Zwecklogik und zeitgeistiger Zärtelei prägt "Fluscia".
Maximilian Pramatarov

Realistischerweise müsste die globale Gegenwart als Übergang in eine Dystopie beschrieben werden. Diesen Eindruck vermittelt auch Fluscia, die jüngste Choreografie der aus Bulgarien stammenden Künstlerin und Tänzerin Daniela Georgieva bei ihrer brillanten Uraufführung im Brut-Theater.

Für den markant harten Sound darin sind Moritz Nahold und Tanja Fuchs verantwortlich, die drei durch Tanz definierten Figuren werden von Lina Venegas, Hugo Le Brigand und Valentino Skarwan verkörpert. Alle fünf sind auf der Bühne präsent und erzeugen eine Atmosphäre der Subversion von zynischer Zwecklogik und zeitgeistiger Zärtelei.

Darüber hinaus macht Georgieva deutlich, dass Queerness im Tanz nicht zwingend mit Eitelkeit, Narzissmus und Pflege der immer gleichen Referenzen verbunden sein muss. Vor allem Le Brigand und Skarwan repräsentieren die Norm des modebefeuerten Auftrumpfens hier als Nebenerscheinung: ein paar Posen zu Beginn, später kurz eine Catwalk-Imitation, das war’s.

Zu allem entschlossen

Bei Fluscia drängt die Artikulationsfähigkeit von Tanz im Wechselspiel mit Musik in den Vordergrund. Darin zeigt sich vor allem Venegas besonders stark. Im vernebelten Zwielicht der Abstürze verheißenden Bühne vermittelt ihre Figur den Eindruck, sie wäre zu allem entschlossen. Vor allem dazu, sich nicht kleinkriegen zu lassen. Darin wird sie von Le Brigand und Skarwan ebenso unterstützt wie von Nahold und Fuchs.

Als Wortneubildung erinnert der Titel Fluscia sowohl an die Kunstrichtung Fluxus als auch an Fascia, eine Bindewebestruktur des Körpers. In einzelnen Szenen praktizieren die Tanzenden dadaistische Sprachzertrümmerung, zwei Auftritte von Tanja Fuchs als Sängerin torpedieren die pathetische Komponente der gemeinsamen Auflehnung gegen einen drohenden Absturz.

Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Tanzstück, das sich vom derzeitigen Durchschnitt deutlich abhebt. (Helmut Ploebst, 26.4.2024)