Nur grün eingefärbt oder wirklich ökologisch? Manch ein Unternehmen lässt seine Produkte umweltfreundlicher erscheinen, als sie eigentlich sind.
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Wer beim Einkaufen der Umwelt etwas Gutes tun will, hat es gar nicht so leicht. In Regalen wartet eine Flut von Produkten, die vorgeblich "umweltfreundlich", "nachhaltig" oder „klimaneutral" sein sollen. Dabei ist oft nicht unterscheidbar, ob ein Unternehmen seine ökologische Tugend bewirbt oder Halbwahrheiten behübscht. Das soll sich mit zwei neuen EU-Vorhaben nun ändern.

Bereits im März diesen Jahres trat eine EU-Richtlinie zum Schutz vor Greenwashing in Kraft. Vorgesehen ist, Konsumentinnen und Konsumenten vor irreführenden Umweltaussagen zu schützen. Damit möchte die EU – wie sie es nennt – Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern für einen ökologischen Wandel stärken. Das bedeutet: Unternehmen dürfen positive Umwelteigenschaften nicht bewerben, "wenn diese nicht belegt sind", erklärt Christian Alexander, Rechtswissenschafter der Universität Jena. Bis Frühjahr 2026 müssen die EU-Mitgliedsstaaten die Vorgaben in nationales Recht übersetzen. Ergänzend dazu diskutiert die EU aktuell die Green-Claims Richtlinie. Demnach müssen Umweltangaben von Waren oder Dienstleistungen zusätzlich einem Überprüfungsprozess unterzogen werden. Auch für Umweltzeichen wie Umweltsiegel soll es klare Regeln geben. Welchen Greenwashing-Strategien erteilt die EU damit wirklich eine Absage? Hier ein paar Beispiele:

"Mit Recyclingmaterial hergestellt"

Ein Modeunternehmen bewirbt eine Jeans mit einem Label, auf dem steht: "Mit Recyclingmaterial hergestellt". Allerdings bezieht sich Aussage nicht auf das angepriesene Kleidungsstück, sondern auf das angebrachte Schild. Damit trifft das Unternehmen eine Umweltaussage zum gesamten Produkt, die sich aber nur auf einen Teilaspekt bezieht. Das ist laut EU Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher irreführend. Ein Fall von Greenwashing. Der Grund: Das Label erweckt einen falschen Anschein über die Materialeigenschaften der Ware.

Das gleiche Prinzip gilt auch bei diesem Beispiel: Eine Firma vermittelt den Eindruck, Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu nutzen. Tatsächlich aber bezieht sie fossile Brennstoffe für zahlreiche Anlagen. Alexander betont, Umweltangaben zum gesamten Betrieb seien nur zulässig, "wenn die beworbenen Auswirkungen tatsächlich das ganze Unternehmen betreffen". Eine Firma darf sich nicht mit einem nachhaltigen Image brüsten, wenn nur ein kleiner Teil der Produktion umweltfreundlich ist.

"Biologisch abbaubaubar"

Ein neuer Kaffeebecher für "Coffee to go" soll "biologisch abbaubar" sein. Seine Herstellerin behauptet, er sei nach einer bestimmten Zeit rückstandslos zersetzbar. Dabei bezieht sich die Angabe nur auf den Pappmantel des Bechers und nicht auf seine Beschichtung aus herkömmlichen Kunststoff. Laut der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher eine irreführende Aussage. Demnach müssen solche Angaben auf den entsprechenden Teilaspekt des Produkts spezifiziert sein. Für Konsumierende soll klar erkenntlich sein, auf welche Bestandteile sie sich beziehen. Allgemeine Umweltaussagen wie "biologisch abbaubar", aber auch Angaben wie "grün" oder "naturfreundlich" beabsichtigt die EU zu verbieten, wenn sie nicht nachweisbar sind.

Die geplante Green-Claims-Richtlinie möchte an dieser Stelle noch einen Schritt weiter gehen. Sie verlangt, Angaben zu positiven Umweltwirkungen eines Produkts zu belegen. Das bedeutet: "Bevor die Unternehmen mit der Werbeaussage an die Öffentlichkeit treten, muss diese Aussage von einer Prüfstelle zertifiziert sein. Diese Zertifizierung soll dann verbindlich von allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden", sagt Rechtsexperte Alexander.

Susanne Augenhofer, Unternehmensrechtlerin der Universität Innsbruck, vermutet dabei praxisbezogene Probleme. Es könne durchaus komplex sein, die im Richtlinienentwurf genannten Umweltaussagen vorab zu zertifizieren. Auch sei ungewiss, ob Zertifizierungsfirmen die vorgesehenen Kriterien korrekt anwenden würden. Offen bleibt laut Augenhofer die Frage, wer die zertifizierenden Unternehmen prüft.

"Klimaneutral"

Ein Flug von Salzburg nach Paris soll klimaneutral sein. Dieses Versprechen bezieht die Firma darauf, die Treibhausgasemissionen bei der Erzeugung kompensieren zu wollen. Tatsächlich gibt es nach jetzigem Stand der Technik keine Möglichkeit, ohne CO2-Ausstoß zu fliegen. Auch solche Aussagen sollen unzulässig werden. "Die EU will damit sicherstellen, dass die Produkte selbst klimafreundlich sind oder sich die Aussage der Klimaneutralität auf die spezifische Wertschöpfungskette des Produkts bezieht", begründet Alexander. Ein Versprechen der "Klimaneutralität" darf damit nicht auf Kompensationsmaßnahmen basieren.

Allerdings kann eine Produktion nie vollkommen ohne CO2 Ausstoß geschehen, meint Augenhofer. Wie sich an dem Urteil gegen Austrian Airlines im Herbst 2023 beispielhaft zeigte, verurteilten einzelne Gerichte irreführende Umweltaussagen bereits vor dem Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie. Allerdings sei dies laut Augenhofer davon abhängig gewesen, wie Gerichte geltendes Recht anwenden. Die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher setzt Greenwashing einen klareren Riegel vor. Augenhofer erklärt: "Nach der Umsetzung der Richtlinie ist es verboten, Begriffe wie klimafreundlich zu verwenden." (Marie Kermer, 26.4.2024)