Eine Frau zeigt sich erschüttert über das positive Ergebnis ihres Schwangerschaftstests.
Ungewollt Schwangere sollen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten nicht nur straffrei, sondern legal abtreiben können, empfehlen Expert:innen.
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Schwangerschaftsabbrüche sollen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten legal und nicht wie bislang nur unter bestimmten Bedingungen straffrei sein. Das war die sehr klare Position der 18-köpfigen Expert:innenkommission, die die deutsche Ampelregierung zur Klärung der Frage eingesetzt hat, ob Abtreibung legalisiert werden soll (DER STANDARD berichtete). Denn für Frauen mache es einen großen Unterschied, ob sie "Unrecht" tun oder ein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase haben. Die derzeitige Regelung halte zudem einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand, so die Kommission weiter. Das "Lebensrecht des Ungeborenen" nehme im mittleren und letzten Drittel der Schwangerschaft zu, im ersten Drittel habe es aber ein "geringeres Recht". Und damit ein geringeres als das der Frau auf einen Abbruch.

Video: Kontroverse Debatte über Kommissionsempfehlungen zu Abtreibungsrecht.
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Ein derart klares Ergebnis nach Abwägungen der eingesetzten Fachleute könnten Politiker:innen als Gewinn und willkommene Basis für eine fundierte Argumentation auffassen. Doch diesen Eindruck machten weder der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann. Bloß nichts übers Knie brechen, war ihre Direktive unmittelbar nach der Pressekonferenz. Lauterbach meinte, Deutschland brauche keine "weitere Debatte, die die Gesellschaft spaltet", man solle "ruhig" über alles nachdenken. "Schnelle Änderungen" werde es nicht geben, stimmte Hoffmann zu.

Die Gesellschaft ist es nicht

Nun, von Hudelei kann bei Änderungen von Gesetzen zu Abtreibungen wirklich nicht die Rede sein. Die Forderung, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen, gibt es in Deutschland und auch in Österreich seit Jahrzehnten. Man kann nicht so tun, als ob nun erstmals darüber ernsthaft nachgedacht werden müsste. Doch die Reaktionen machen auch klar, warum Politiker:innen bei diesem Thema so oft zaudern und zögern – und damit zahlreichen Studien zum Thema Schwangerschaftsabbruch zuwiderhandeln. Es ist die Sorge vor lauten Abtreibungsgegner:innen, nicht zuletzt aus der Kirche, und vor konservativen Regierungspartnern.

Denn es sind ihre Positionen, die spalten. Für sie ist das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zweitrangig, radikale Abtreibungsgegner:innen verbreiten mit irreführenden Mythen wie dem "Post-Abortion-Syndrom" Angst. Sie sind es, die Frauen vor Orten bedrängen, wo Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Die Gesellschaft selbst ist nicht gespalten: Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Frauenministeriums zeigte, dass in Deutschland mehr als 80 Prozent die Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen ablehnen, berichtet die "Taz". Und das zieht sich durch alle politischen Gesinnungen: Die Wähler:innen aller Parteien – von der AfD bis hin zu den Linken – lehnen mehrheitlich die Rechtswidrigkeit von Abtreibungen ab.

Keine Angst vor den Spaltern

Es geht letztlich also um spalterische Debatten, wie es auch Lauterbach sagt. Doch genau deshalb wäre ein entschiedenes Handeln wichtig – und dass Entscheidungen auf Basis der Expertise von Fachleuten, Empfehlungen der WHO oder Studien zu den nötigen Bedingungen für ungewollt Schwangere gefällt werden. Das Zögern dient derzeit nur den lauten Gegner:innen einer Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Es ist auch die Aufgabe der Politik, diese Debatten aufzufangen, indem man mit klarer Haltung Grenzen zieht. Grenzen, hinter die inzwischen auch ein Großteil der Menschen nicht mehr zurückwill. (Beate Hausbichler, 17.4.2024)