Österreichs oberster Staatsschützer Omar Haijawi-Pirchner
In der Behörde von Österreichs oberstem Staatsschützer Omar Haijawi-Pirchner kannte man die mutmaßliche Jihadistenzelle aus Deutschland.
APA/ALEX HALADA

Die Ansage war deutlich: Dieser Anschlag könnte der größte werden, den es in Deutschland seit Jahrzehnten gegeben hat. Geschrieben wurde das in einem Chat eines mutmaßlichen Vierergespanns aus jungen Jihadisten. Aber da kam noch mehr. Einer der Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gab zu verstehen, dass er dabei sei, Waffen zu besorgen, ein anderer "Bruder" kümmere sich bereits um Molotowcocktails, versicherte er.

Auch ein potenzielles Anschlagsziel schien für die Jugendlichen ausgemacht: eine Kirche. Das Attentat solle am besten an einem Tag wie Christi Himmelfahrt stattfinden, wenn das Gotteshaus gut besucht ist, wurde in Chats getippt. Aber auch "Kuffar", also Ungläubige, die draußen umherlaufen, sollten getötet werden.

Blonder Fahrer, um Polizei zu täuschen

Selbst eine Tarnstrategie wurde angedacht: Ein Fahrer, so der Plan, sollte die Jugendlichen zu ihrem Ziel bringen und am besten blond sein, um nicht aufzufallen und damit nicht ins Visier der Polizei zu geraten.

Das erfuhr DER STANDARD von Ermittlern, die mit dem Fall befasst sind. Aus deutschen Sicherheitskreisen hieß es zudem, dass ein Tipp zur Zelle – die in Deutschland bereits unter Beobachtung stand – vom Staatsschutz aus Wien kam. Seit dem Osterwochenende befinden sich drei Verdächtige aus Nordrhein-Westfalen – ein 15-jähriges und ein 16-jähriges Mädchen sowie ein 15-jähriger Bursche – und ein 16-jähriger Jugendlicher aus Baden Württemberg wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft.

16-Jährige wollte zum "Islamischen Staat"

Aber wie konkret war die Gefahr tatsächlich? Die diskutierten Pläne für ein Attentat sollen zwar noch nicht mit Zeit und Ort versehen gewesen sein, berichtete etwa der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Allerdings dürften die vier Verdächtigen mit Dortmund, Düsseldorf und Köln bereits einige Städte für einen Anschlag im Kopf gehabt haben. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), verdeutlichte nach dem aktuellen Ermittlungsstand die vermuteten Ziele: christliche Einrichtungen und Synagogen, möglicherweise auch Polizeiwachen. Für die Angriffe seien Messer und Molotowcocktails in Erwägung gezogen worden.

Vor allem die 16-jährige Verdächtige ist den deutschen Behörden offenbar schon länger bekannt. Sie sei bereits durch Ausreiseabsichten in Bezug auf den "Islamischen Staat" aufgefallen. Durch sichergestellte Smartphones sollen Ermittler bereits auf Chats der Gruppe gestoßen sein. Der 15-Jährige Bursche der mutmaßlichen Jihadistenzelle wird von Reul "unter Vorbehalt" als "treibende Kraft hinter den Anschlagsplänen" beschrieben.

Die Rolle der islamistischen Influencer

Bei den Razzien der Exekutive am Osterwochenende seien in erster Linie Speichermedien sichergestellt worden, berichtete der WDR. Bei der 15-jährigen Verdächtigen aus Düsseldorf fanden Ermittler aber zudem eine Machete und einen Dolch. Anzeichen dafür, dass das mutmaßliche Gespann aus Jihadisten Brandsätze vorbereitet hatte, wurden von der Polizei nicht entdeckt.

Die deutsche Nachrichtenagentur dpa berichtete mit Verweis Sicherheitskreise, dass sich die Jugendlichen auch durch islamistische Influencer radikalisiert hätten.

Namen und Details wurden zwar nicht genannt. Aber es sind vor allem Salafistengrößen aus Deutschland, die etwa auf Tiktok eine hohe Reichweite erzielen und junge Menschen ködern. DER STANDARD berichtete. Speziell in den ersten Wochen des schwelenden Krieges in Nahost hat sich Tiktok als gefährliche Radikalisierungsmaschine erwiesen.

Die mutmaßliche Terrorzelle dürfte sich aber nicht nur in Deutschland vernetzt haben. Angeblich weist sie auch Verbindungen in die Schweiz auf. Dort nahm die Polizei ebenfalls drei Jugendliche – einen 15-jährigen und einen 18-jährigen Schweizer sowie einen 16-jährigen Italiener – in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, einen Sprengstoffanschlag geplant zu haben. (Jan Michael Marchart, 17.4.2024)