183 Plätze gibt es nach der Wahl zu verteilen. Wie viele Mandate jede Partei bekommt, könnte sich deutlich ändern – das macht die Listenerstellung heikel.
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Jetzt wird es wirklich ernst. Der merklich rauere Ton in der Politik kündigt die nahende Nationalratswahl schon länger an, nun tun es auch personelle Weichenstellungen, die die Parteien setzen: Sie stellen nach und nach ihre Listen zusammen. Und schlagen damit die Pflöcke dafür ein, wer Chancen auf den (Wieder-)Einzug ins Parlament hat. Besonders für jene Parteien, die mit einem Minus zu rechnen haben – momentan ÖVP und Grüne –, ist das eine heikle Angelegenheit. Denn Stimmenverluste bedeuten auch: weniger Sitze, die es zu verteilen gibt.

Formal ist für die Listenerstellung noch Zeit: Landes- und Regionallisten müssen etwas mehr als zwei Monate vor dem Wahlsonntag abgegeben werden, Bundeslisten etwas weniger als sieben Wochen. Bei dem derzeit wahrscheinlichen Wahltermin Ende September hieße das: Die Deadlines sind Anfang und Mitte August. De facto reizen sie die Parteien aber nicht aus.

Welche Kandidatinnen und Kandidaten stehen nun schon fest? Und welchen Fahrplan haben die einzelnen Parteien? Ein Überblick.

FPÖ: Neue Gesichter auf Bundesliste

Mit 30 Mandaten ist die FPÖ derzeit im Nationalrat vertreten – und geht es nach aktuellen Umfragen, könnten es nach der Wahl fast doppelt so viele sein. Die Vorbereitungen in Sachen Listenerstellung laufen bei den Freiheitlichen seit Monaten auf Hochtouren.

Vor allem auf der Bundesliste könnte STANDARD-Informationen zufolge ordentlich umgerührt werden – war vor fünf Jahren auf den ersten zehn Listenplätzen nur ein Quereinsteiger zu finden, dürfte das diesmal anders aussehen. Gleich mehrere neue Gesichter sollen aussichtsreiche Listenplätze erhalten, erste Namen kursieren bereits. Etwa Marie Christine Giuliani: Die frühere Moderatorin von "Bingo", "Millionenrad" und anderen Shows im ORF arbeitet seit 2022 für den Sender FPÖ-TV. Auch Lisa Gubik, Moderatorin des Senders und blauer Veranstaltungen, wird für ein aussichtsreiches Mandat gehandelt. Ein Fixmandat erhalten soll außerdem der Arzt Hannes Strasser, der mit dem Abgeordneten Gerald Hauser mehrere Corona-Bücher verfasst hat. Auch der Name Barbara Kolm, die ehemalige FPÖ-Politikerin war zuletzt auf einem blauen Ticket Vizepräsidentin der Nationalbank, fällt in diesem Zusammenhang.

Nach der letzten Wahl kamen fünf Abgeordnete über die Bundesliste ins Parlament, diesmal dürften es deutlich mehr sein. Auf Anfrage gibt die Partei keine Auskunft, wann die Bundesliste beschlossen werden soll. STANDARD-Informationen zufolge dürfte es aber Ende Juni im Rahmen eines Bundesparteivorstands so weit sein.

Die jeweiligen Landeslisten werden entsprechend davor finalisiert. Drei blaue Landesparteien haben auch schon ihre Spitzenkandidaten und teils weitere Listenplätze beschlossen. Im Burgenland wird man erneut auf den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer als Spitzenkandidat setzen. Hinter ihm folgt Landesparteichef Alexander Petschnig, die weiteren Listenplätze sind noch nicht fix. In der Steiermark zieht zum dritten Mal Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer als Spitzenkandidat in die Wahl, weitere Kandidaten stehen noch nicht fest. Und in Tirol wird Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm Spitzenkandidat. Auf Platz zwei kandidiert Tourismussprecher Gerald Hauser, der allerdings auch auf dem aussichtsreichen fünften Platz der Liste zur EU-Wahl gereiht ist. Auch weitere Listenplätze wurden in Tirol bereits fixiert. In Kärnten hat Landesparteichef Erwin Angerer seinen Vorgänger und Vizeklubchef Gernot Darmann als Spitzenkandidat vorgeschlagen – beschlossen und fixiert wurde die Landesliste allerdings noch nicht.

In den übrigen Bundesländern lassen sich die blauen Landesparteien für ihre Listenerstellung noch Zeit – auf deren Listen werden ebenfalls bekannte Gesichter zu finden sein. Parteichef Herbert Kickl wird wohl erneut Spitzenkandidat auf der Landesliste in Niederösterreich, der gebürtige Kärntner lebt in Purkersdorf. Dort werden außerdem auf den vorderen Plätzen die Generalsekretäre Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz gereiht sein. In Wien etwa dürfen wieder Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch und Justizsprecher Harald Stefan auf Spitzenplätze hoffen, in Oberösterreich die außenpolitische Sprecherin Susanne Fürst und Bildungssprecher Hermann Brückl, in Salzburg Verteidigungssprecher Volker Reifenberger.

Noch unklar ist, ob manche der aktuellen 30 Abgeordneten freiwillig nicht mehr kandidieren werden oder sich intern nicht mehr durchsetzen konnten. Abgänge sind bislang jedenfalls nicht bekannt.

Neos: Große Vergabe im April

Zu Wochenbeginn wird es bei den Neos spannend. Sie beschließen die Listen nicht nach und nach in den Ländern und im Bund, sondern in einem zentralen Verfahren. Jede und jeder konnte sich bis Mitte der Woche für sämtliche Listenplätze bewerben. Ab Montagmittag stellen sich die Bewerberinnen und Bewerbern einer Art Online-Hearing. Das heißt: Dann wird bekannt, wer mit einem Platz liebäugelt. Darauf folgen drei Selektionsrunden – die finale bei einer Mitgliederversammlung am 20. April in Graz.

Umfragen prognostizieren den Pinken derzeit, ihre rund acht Prozent von 2019 leicht überholen zu können. Grundmandate, also solche im Regionalwahlkreis, holten sie damals nicht. Dafür zehn Landesmandate und fünf Restmandate, also über die Bundesliste. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger zog 2019 über ein Wiener Landesmandat ein, am Wochenende gab diese bekannt, sich wieder als Spitzenkandidatin zu bewerben. Im Parlament bleiben möchte U-Ausschuss-Fraktionsführer Yannick Shetty: Er hat seine Kandidatur verlautbart, auch andere pinke Abgeordnete haben Interesse weiterzumachen. Sozialsprecher Gerald Loacker tritt nicht mehr an, Helmut Brandstätter will ins EU-Parlament.

SPÖ: Schon viel entschieden

Die Sozialdemokraten haben derzeit 40 Mandate – und liegen in Umfragen bei ihren rund 21 Prozent von der Wahl 2019. Die meisten Sitze holte die SPÖ in Wien: Drei Abgeordnete zogen über die Landes- und fünf über Regionallisten ein. Behält die SPÖ diese Mandate, hieße das auf Basis der zu Wochenbeginn fixierten Listen: Über Grundmandate würden die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Entwicklungssprecherin Petra Bayr, Bildungsdirektor Heinrich Himmer, Integrationssprecher Christian Oxonitsch und Gemeinderätin Pia Maria Wienninger einziehen, über die Landesliste Gewerkschafterin Barabara Teiber, U-Ausschuss-Fraktionsführer Kai Jan Krainer und die Wiener Mietervereinigungschefin Elke Hanel-Torsch.

Auf einen Einzug über die Landesliste spekuliert auch Nikolaus Kowall, der im Vorjahr SPÖ-Vorsitzender werden wollte. Er ist Spitzenkandidat im für die SPÖ aussichtslosen Regionalwahlkreis Innen West und auf Platz 20 der Landesliste gereiht. Mit Vorzugsstimmen will er auf eine erfolgversprechende Position vorrücken.

In Niederösterreich, wo die SPÖ zuletzt drei Landes- und drei Regionalmandate holte, fällt die Abwesenheit von Parteichef Andreas Babler auf: Nicht der Traiskirchner Bürgermeister, sondern der Nationalratsabgeordnete Rudolf Silvan führt die Liste an – gefolgt von Gemeinderätin Silvia Kumpan-Takacs und Verteidigungssprecher Robert Laimer. Hintergrund: Offenbar soll dafür gesorgt werden, dass Babler in seinem Heimatbundesland niemandem ein Mandat wegnimmt.

Er kann über die Bundesliste, auf der er wohl auf Platz eins gereiht sein wird, mit einem Restmandat rechnen. Beschlossen werden soll sie am 27. April beim Parteirat in Wieselburg. Hinter Babler ist auf der Bundesliste, über die 2019 insgesamt fünf Abgeordnete ins Parlament kamen, mit Gedränge zu rechnen. Weit vorn zu finden sein werden prominente Namen, die aber ohnehin auf Landeslisten auf Fixplätzen gereiht und damit auf kein Restmandat angewiesen sind – etwa die bereits erwähnte Doris Bures, Vizeklubchefin Eva-Maria Holzleitner und Klubobmann Philip Kucher. Mit einem Fixmandat über die Bundesliste dürfen STANDARD-Informationen zufolge Vizeklubchefin Julia Herr, die auf der Wiener Landesliste auf dem aussichtslosen siebenten Platz gereiht ist, sowie Gewerkschafter Josef Muchitsch rechnen. Auf erfolgversprechende Plätze auf der Bundesliste sind für den Wiedereinzug unter anderem die Abgeordneten Mario Lindner, Muna Duzdar und Christoph Matznetter angewiesen.

Zurück zu den Ländern: Bleibt es bei einem Vorarlberger Landesmandat, geht dies an den Bludenzer Stadtpolitiker Antonio Della Rossa. In Oberösterreich wird Holzleitner die Landesliste anführen, in der Steiermark ist Verfassungssprecher Jörg Leichtfried als Spitzenkandidat nominiert. Sie müssen noch formal bestätigt werden. In beiden Bundesländern gab es 2019 je drei rote Landesmandate. Im Burgenland, in Salzburg, Kärnten und Tirol werden die Listen im April fixiert.

Grüne: Gerangel bis Juni 

Weniger Sitze dürften die Grünen zu vergeben haben. Derzeit werden ihnen Stimmverluste um die fünf Prozentpunkte prognostiziert, mit rund 14 Prozent schafften es vor fünf Jahren 26 Abgeordnete ins Parlament: fünf über Regional- und vier über Bundeslisten, der große Rest über Landeslisten.

Einige davon stehen bereits: Bleiben die zwei Landesmandate in Tirol, würden sie wieder an Jugendsprecherin Barbara Nessler und Verkehrssprecher Hermann Weratschnig gehen. In Oberösterreich wurde Justizsprecherin Agnes Prammer zur Spitzenkandidatin gekürt, die restliche Liste wird im April bestimmt. Aktuell haben die Grünen dort zwei Landesmandate. Jene vier Abgeordneten, an die die vier niederösterreichischen Landesmandate gingen, haben sich dort auf den ersten vier Listenplätzen in Position gebracht: Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze, Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba, Konsumentenschutzsprecherin Ulrike Fischer und Anti-Atom-Sprecher Martin Litschauer.

Gleiches gilt für die steiermärkische Landesliste: Jakob Schwarz und Bedrana Ribo, derzeit als Vizeklubchef und Seniorensprecherin über Landesmandate im Parlament, sind auf Rang eins und zwei. Ganz oben auf der Grazer Regionalliste findet sich ein prominenter Name: Parteichef Werner Kogler, der in der steirischen Landeshauptstadt lebt. Er dürfte aber auch die Bundesliste anführen, die am 22. Juli in Wien vom Bundeskongress gewählt wird. Justizministerin Alma Zadić wird als bekanntes Zugpferd an der Spitze der Wiener Landesliste gehandelt, die ebenso wie jene der Kärntner Grünen im April bestimmt wird. Im Mai folgen Salzburg, Burgenland und Vorarlberg.

ÖVP: Heikle Entscheidungen und großes Schweigen

Unschön ist die Ausgangslage für die Volkspartei. 37,5 Prozent der Stimmen brachten bei der vergangenen Wahl 71 Mandate. Mit den sich derzeit abzeichnenden deutlichen Verlusten von circa 15 Prozentpunkten steuert die ÖVP auf deutlich weniger Sitze zu. Wann die heiklen Entscheidungen über die Platzvergabe fallen sollen, wird nicht verraten: Termine für die Listenerstellung gibt man auf Anfrage nicht bekannt.

Hinter sich gebracht hat dies die ÖVP bereits in ihrer Bastion Niederösterreich – und sorgte damit für Aufsehen. Angeführt wird die Landesliste von Innenminister Gerhard Karner, zweitplatziert ist Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Seitens der ÖVP ist von einer Doppelspitze die Rede, Karners erster Platz sei lediglich einer alphabetischen Reihung geschuldet. Die andere Lesart: Der Arbeitnehmerbund hat sich gegen den Bauernbund durchgesetzt. Und in Vorarlberg dürfte die Landesliste, die am 8. April beschlossen wird, Finanzminister Magnus Brunner anführen. (Stefanie Rachbauer, Sandra Schieder, 25.3.2024)