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Johannes Heesters Ende 2009 im Wiener Rathaus bei der Verleihung der 'Goldenen Wien Plakette'

Foto: AP /Hans Punz

Um öffentlich präsent zu bleiben - dazu hätte es für Johannes Heesters seit vielen Jahren eigentlich keiner künstlerischen Aktivitäten bedurft. Alljährlich nahm auch die an altehrwürdigen Film- und Operettenzeiten nicht sonderlich interessierte Welt staunend die Positivmeldung zur Kenntnis, der nach Guinness-Buch-Maßstäben älteste aktive Schauspieler des Globus sei wieder um ein Jährchen älter geworden. Noch erstaunlicher war jedoch, dass Heesters, 1903 im Holländischen Amersfoort als jüngster von vier Söhnen eines Kaufmanns geboren, nicht einfach Feierlichkeiten über sich ergehen ließ. Soweit es seine Kräfte zuließen, und sie ließen es in Maßen durchaus zu, hatte er zumindest bei der alljährlichen Geburtstagsgala, die heuer abgesagt werden musste, seinen Auftritt. 

Nicht anders beim 100. Geburtstagsfest in Wiener Konzerthaus: Mit beiden Händen ans Klavier gestützt, sang Heesters zunächst ein wenig fragil, dann aber durchaus sicher und tatsächlich vom "Maxim", auch von geknüpften "zarten Banden" und vom Glück, nicht mehr jung zu sein, wovon auch seine Memoiren (erscheinen 1993) gehandelt hatten. Selbst ein Zigarettchen wurde angezündet (dieses Vergnügen ließ er sich nie ganz nehmen), auch etwas Bier durfte sein - und herbeigezaubert war jene Atmosphäre, die letztlich nur versierte Bühnencharmeure zu erwecken vermögen. Man spürte jedenfalls immer noch jene mit Disziplin erarbeitete Leichtigkeit; hier wurde also mehr bewundert als nur ein Methusalem der Unterhaltungswelt. Eher ein wirklicher Klassiker der leichten Muse. 

Heesters hatte natürlich - anderes lässt sich wohl schwer behaupten - ziemlich viel Zeit, seinen Stil zu entwickeln; in seiner Vita spiegelt sich ein ganzes (auch politisches) Jahrhundert. Nachdem er den Wunsch, Priester zu werden, verworfen hatte, gründete er mit Freunden eine Theatertruppe. Er absolvierte in Amsterdam natürlich eine Schauspiel- und Gesangsausbildung, die er sich durch Arbeiten in einer Süßwarenfabrik und der Rotterdamsche Bank finanzierte. 

Kleine Auftritte absolvierte er in Holland, 1934 trat er erstmals an der Wiener Volksoper auf. Die große Karriere jedoch begann in Berlin, wo Heesters ab 1935 an der Komischen Oper sesshaft wurde. In Deutschland avancierte Heesters schließlich zum Ufa-Leinwandstar, und er blieb es auch im Krieg, wurde Hitlers Lieblings-Danilo (Die lustige Witwe) und wirkte bei vielen der so genannten „Ablenkungsfilmen" jener düsteren Tage mit (etwa Illusion aus 1941 oder Es fing so harmlos an aus 1944). 

Zu einer Zeit, als Nazi-Truppen seine niederländische Heimat besetzten, sorgte Heesters also in Deutschland für gute "Laune"; auch ein Besuch im KZ Dachau (1941) ist aktenkundig. Und mit der Frage, ob er dort, an diesem Schreckensort, auch noch gesungen hatte, musste sich Heesters ab den 1960ern immer wieder konfrontieren. Er hat es immer bestritten. Die Sache ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zu jener Phase hat Heesters, der sich zum unpolitischen Künstler erklärte und dessen Filme nach dem Krieg vom Alliierten Kontrollrat nicht als Nazipropaganda eingestuft wurden, immerhin aber bekannt: "Unsere Arbeit war die verlogenste, die es damals gab." 

Mitgemacht zu haben, hat Heesters jedenfalls nach dem Krieg nicht geschadet: Mit Frack, Zylinder und weißem Schal blieb er Symbol und Inbegriff des operettenhaften Bonvivants. An die 750 Mal sang er als Honoré in Gigi, den Grafen Danilo in Lehars Lustiger Witwe gab er etwa 1600 Mal und verhinderte damit womöglich auch, dass sich Oskar Werner von Herbert von Karajan für diese Rolle engagieren ließ. So jedenfalls Werner in einem Brief an Heesters. 

Soweit Angebote kamen, blieb Heesters bis zuletzt aktiv: Mit 105 hat er noch in Hamburg Kaiser Franz Joseph Im weißen Rößl gegeben. Und noch 2010 stand er auf der Bühne - in der Inselkomödie im Theater am Schiffbauerdamm Berlin. "Wenn ich nicht arbeite, langweile ich mich, dann werde ich krank, und dann ist es aus", meinte er einmal. Nun war es soweit. Das Phänomen Johannes "Jopie" Heesters ist am 24.Dezember im Kreise seiner Familie gestorben. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD)