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Regelmäßige Untersuchungen durch Schulärzte finden in den meisten Schulen nur bis zum neunten oder zehnten Lebensjahr statt.

Foto: APA/Frank Augstein

Fatal an der Skoliose ist, dass sie primär in jungen Jahren auftritt und zu Beginn keinerlei Beschwerden verursacht - was nicht selten zu verspäteter Diagnose und damit zu geringeren Therapieerfolgen von konservativen Behandlungen und daher zu späteren massiven chirurgischen Eingriffen führt. Die Erkrankung der Wirbelsäule ist bei Laien relativ unbekannt, und doch sind bis zu vier Prozent der Bevölkerung davon betroffen - vor allem Mädchen in der Pubertät sowie junge Frauen.

Das Krankheitsbild der Skoliose umfasst Veränderungen der Wirbelsäule, die mit Verdrehungen (Rotation der Wirbelkörper) sowie mit Verbiegungen nach vorne (Kyphose) und nach hinten (Lordose) einhergehen können.

Entstehungsgründe sind nur in den wenigsten Fällen bekannt. "Natürlich gibt es auch angeborene Skoliosen und solche, die durch Knochen- oder Muskelerkrankungen entstehen", erklärt Primarius Franz Grill, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendorthopädie am Wiener orthopädischen Spital Speising, "doch in der überwiegenden Mehrheit sind es sogenannte ideopathische Skoliosen." Also solche, deren Ursachen nicht exakt festgemacht werden können. Wenngleich genetische Faktoren laut Grill die wesentliche Rolle spielten: "Daher sind auch mehr Mädchen als Buben davon betroffen."

Aus diesen Gründen, erklärt der Fachmann, wäre zur Früherkennung auch die Familienanamnese durchaus wichtig: "Wir beobachten ein familiär gehäuftes Auftreten der Skoliose." Auch wenn man nicht behaupten könne, dass die Skoliose wie beispielsweise die Bluterkrankheit nach den klassischen Regeln vererbt werde.

Ursachensuche

Aber immerhin: Mittels Genanalysen zumindest von Kindern aus entsprechend vorbelasteten Familien könnte deren Risiko, von Skoliose beeinträchtigt zu sein, bestimmt werden - was für eine frühe Therapie entscheidend wäre. Doch davon sei man aus praktischen wie aus finanziellen Gründen weit entfernt, konstatiert Grill, schon die klassischen Vorsorgeuntersuchungen stellten in Österreich ein Problem dar.

"Die Früherkennung sollte eigentlich schon von den Eltern zu Hause begonnen werden", gemahnt Orthopäde Grill, "doch in den meisten Fällen sieht man nicht, was man täglich sieht." Also liege der Schwerpunkt der Früherkennung in den Schul-Screenings. Und hier liege die Schwachstelle: "Genau in den kritischen Lebensphasen sind keine entsprechenden Reihenuntersuchungen vorgesehen." Wegen gesundheitspolitischer Sparmaßnahmen, wie Grill vermutet.

Regelmäßige Untersuchungen durch Schulärzte fänden in den meisten Schulen nur bis zum neunten oder zehnten Lebensjahr der Kinder statt, dann wieder - meistens letztmalig - ab dem 14./15. Lebensjahr. "Aber genau in der Zwischenzeit passiert es", erklärt der Orthopäde: Meistens tauche Skoliose mit zehn oder elf Jahren auf, noch in leichter Form, doch dann, in der starken Wachstumsphase der Kinder und Jugendlichen, also ab der Pubertät, schreite die Erkrankung bis Ende des Knochenwachstums mit etwa 16 oder 17 Jahren rasant voran.

Skoliose kann unbehandelt zu einer massiven Verformung des Rumpfs führen, schwere Beeinträchtigungen der körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit hervorrufen sowie Störungen der Lungenfunktion verursachen. Als Behandlung kommen je nach Schweregrad, Alter der Patienten und erwartetem Fortschreiten der Erkrankung spezielle Gymnastik, Stützkorsett oder Operationen infrage. Ergänzende Osteopathie kann den Verlauf der Erkrankung zwar nicht aufhalten, kann jedoch massiv zur Schmerzlinderung beitragen und so die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen.

Wird Skoliose in einem frühen Stadium erkannt, kann oft mit spezieller Gymnastik das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt werden. Hierzulande hat sich dafür die "Katharina-Schroth-Methode" etabliert, benannt nach der Physiotherapeutin, die diese Therapie begründete und bei der die Patientin lernt, aktiv selbst vor dem Spiegel ihre Wirbelsäulenverkrümmung mit speziellen Übungen zu korrigieren.

Kann die Skoliose derart bis zu einer Verkrümmung von maximal zehn Grad nach Cobb (die dafür verwendete Messmethode) stabilisiert werden, reicht diese Behandlung aus. Ansonsten muss mit einem speziellen Stützkorsett nachgeholfen werden, das die Betroffene fast ständig bis zum Ende ihres Wachstums tragen muss. "Mit etwa 16 Jahren", erklärt Grill, "nützt ein solches Korsett in der Regel aber auch nichts mehr." Verschlechtere sich die Skoliose, so der Orthopäde, werde ab einer Verkrümmung von 40 Grad nach Cobb eine Operation in Erwägung gezogen.

Erfolg und Probleme

Nach dem Eingriff sind Statistiken zufolge im Schnitt 85 bis 90 Prozent der Patientinnen zufrieden mit dem Ergebnis. Die restlichen zehn bis 15 Prozent klagen über Narben, Veränderungen in den kleinen Wirbelgelenken und andere lokale Probleme. Hinzu kommt, dass Implantate und neubeformte Knochen der versteiften Zone brechen können.

Aber auch die psychologische Seite sollte nicht außer Acht gelassen werden: Gerade der an Skoliose erkrankte Mensch benötigt neben der ärztlichen Versorgung ein hohes Maß an psychologischer Betreuung. Denn die Behandlung, die als Langzeittherapie viele Jahre dauern kann, stellt hohe Anforderungen an Betroffene und deren soziales Umfeld. Viele Skoliotiker fühlen sich ob ihres Erscheinungsbildes so sehr belastet, dass sie sich von der Außenwelt weitgehend zurückziehen. Im Allgemeinen sind Betroffene jedoch nach abgeschlossener Behandlung wieder in der Lage, ein vollkommen normales Leben zu führen.

Und wie sieht es mit den Therapieerfolgen aus? "Eines darf man dabei nicht vergessen", erklärt der Orthopäde: "Mit einer Operation kann in vielen Fällen zwar eine Begradigung der Wirbelsäule erreicht werden, doch in der Regel zielt die Behandlung darauf ab, ein Fortschreiten der Erkrankungen zu verhindern. Von einer Heilung im klassischen Sinn kann bei Skoliose daher nicht gesprochen werden." (Andreas Feiertag, DER STANDARD Printausgabe, 21.6.2010)