Goran Djuricin ist in die erste Reihe gerückt, eine Zunahme an Emotionen ist wahrscheinlich.

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STANDARD: Was stimmt Sie zuversichtlich, dass die neue Saison eine bessere wird?

Djuricin: Wir sind fitter, wir haben gelernt. Ich bin ein positiver Typ, kann die Burschen pushen. In uns steckt weit mehr Potenzial, als viele glauben.

STANDARD: Wühlen wir in alten Wunden. Wurde Platz fünf aufgearbeitet, analysiert? Oder hat man beschlossen, alles zu vergessen?

Djuricin: Es wurde nicht mehr groß thematisiert, wir hatten kaum Urlaub, da war es wichtig, zwei Wochen lang nichts vom Fußball zu hören. Die neue Saison ist einfach eine neue Saison. Es ist so viel zu tun, da lässt man die Vergangenheit beiseite. Es wurde ohnedies viel darüber gesprochen.

STANDARD: Am Transfermarkt konnte Rapid nicht groß agieren, der Kader ist nahezu unverändert geblieben und immer noch aufgebläht. Sportvorstand Fredy Bickel musste Personal abbauen. Ist es eine Saison der Wiedergutmachung, der zweiten Chance?

Djuricin: Ja, natürlich. Es kann übrigens noch kleine Veränderungen geben, die Transferperiode dauert bis Ende August.

STANDARD: Da die Europa League verpasst wurde, gibt es keine Doppelbelastung, es sind weniger Spiele. Sie müssen nicht rotieren, die Regenerationsphasen sind ausreichend. Macht das die Aufgabe nicht schwieriger? Es gibt zwangsläufig Unzufriedene, deren Platz die Tribüne sein wird.

Djuricin: Das Glas ist halb voll oder halb leer. Ich mag das halb volle Glas. Es ist top für einen Trainer, wenn die Konkurrenz so groß ist. Unzufriedene Spieler hat jeder Klub. Die Unzufriedenheit darf nie zur Respektlosigkeit führen und das Team negativ beeinflussen. Das ist normal im Fußball und im gesamten Leben. Wird in einer Firma ein Mitarbeiter befördert, ist ein anderer angefressen, weil er sich auch beworben hat. Trotzdem gehört er nach wie vor zum Unternehmen.

STANDARD: Zielsetzung?

Djuricin: Ich möchte jeden Einzelnen weiterbringen – auch jene, die im besten Fußballer-Alter sind, wie Stefan Schwab oder Christopher Dibon. Sie sollen in ihrer Persönlichkeit reifen, weniger Fehler machen, Entwicklungen sind nie zu Ende. Das ganze Team gehört im taktischen Bereich verbessert, wir wollen flexibler werden, wir wollen einfach nur kicken. Es soll Spaß machen, die Ergebnisse kommen von allein. Vom Kombinationsfußball und von den Talenten her sind wir in Österreich sehr hoch anzusiedeln. Die ersten drei sind das Ziel.

STANDARD: Es ist zwar fad, aber Sie werden sicher sagen, Red Bull Salzburg ist der Topfavorit.

Djuricin: Ja, das sage ich.

STANDARD: Werden wir kühn. Damit Rapid Meister wird, muss Salzburg permanent über die eigenen Beine stolpern, oder?

Djuricin: Im Fußball passiert viel, es geht alles so schnell. Du sollst auf dich schauen. Du musst deine Hausaufgaben erledigen, du musst gut starten, damit ein Ruck durch die Mannschaft geht. Im Cupfinale waren wir teilweise besser als Salzburg, haben mit Pech verloren. Sind Kopf und Körper bereit, ist alles möglich, denn kicken können wir. Wir brauchen Mut, der entsteht im Kopf. Mut ist das Wichtigste im Fußball. Abgesehen davon ist Salzburg Favorit.

STANDARD: Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit geht bei Rapid schon seit Jahren eher auseinander. Ist die Tradition mitunter ein zu schwerer Rucksack?

Djuricin: Das war vielleicht im Vorjahr der Fall, diesmal nicht. Der Anspruch, unter die ersten drei zu kommen, ist für Rapid völlig normal. Tradition ist etwas Schönes.

STANDARD: Was hat die Beförderung vom Interims- zum Cheftrainer bei Ihnen bewirkt? Sie gelten als lockerer, kommunikativer Typ. Geht das ein wenig verloren, wenn man fix in die erste Reihe rückt?

Djuricin: Ich versuche immer, ich selbst zu bleiben. Es wird Situationen geben, in denen ich noch emotionaler sein werde. Ich hinterfrage mich ständig – vor dem Training, nach dem Training. Das habe ich Gott sei Dank in mir drinnen. Ich werde nie zufrieden sein, bin aber sehr froh, dass ich mich bei Rapid beweisen kann und darf.

STANDARD: Der Betreuerstab wurde aufgestockt. Eine Notwendigkeit?

Djuricin: Ja, ein Rehab-, ein Athletiktrainer sowie ein Physiotherapeut sind dazugekommen. Das musste sein. Im internationalem Vergleich herrscht in Österreich diesbezüglich Nachholbedarf. Bickel hat das richtig erkannt.

STANDARD: Eine Veränderung ist der Kapitänswechsel. Steffen Hofmann übergab die Schleife an Stefan Schwab. Was bedeutet das? Welche Rolle spielt der bald 37-jährige Hofmann, der ja nebenbei Talentmanager ist, noch?

Djuricin: Schwab wird noch mehr wachsen. Hofmanns Rolle hat sich kaum verändert, er wird uns weiterhelfen. Manchmal 30 Minuten, manchmal eine Stunde, manchmal ein ganzes Spiel. Wir brauchen ihn. Steff hat Klasse, Ruhe, Übersicht, einen Superpass.

STANDARD: Wie wird Rapid kicken?

Djuricin: In der Defensive wollen wir variabel sein, Angriffe einleiten, nachrücken, Pflichtaufgaben in der Raumdeckung müssen erledigt werden. Die einfachen Sachen gehen oft verloren. Weil sie banal erscheinen, aber nicht banal sind. In der Offensive wollen wir kontinuierlich aufbauen. Ich mag das Spiel in die Tiefe.

STANDARD: Ist Rapid-Trainer ein Traumjob?

Djuricin: Ja, speziell, wenn man Erfolg hat. Es ist eine große Herausforderung und Verantwortung.

STANDARD: Bickel sagte einmal, Rapid habe eine gescheite, allerdings sehr sensible Mannschaft. Teilen Sie diese Einschätzung?

Djuricin: Die Zeiten sind, wie sie sind. Die Kühbauers, Barisics und Maraseks, die Pülcher im positiven Sinn waren, sind selten geworden. Typen, die sich nichts scheißen, gibt es kaum. Vielleicht braucht man ab und zu ein bisserl mehr Streitkultur, Reibung ist wichtig, erzeugt Energien. Man sollte öfter auszucken. Es muss natürlich im Rahmen bleiben. (Christian Hackl, 21.7. 2017)