Ein letztes Interview, dann will sich Peter Pilz zwei Wochen nur dem Eurofighter-Ausschuss widmen. Es sind wahrscheinlich seine letzten beiden Wochen als Grün-Abgeordneter.

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"Es wird keine Grünen-Liste", sagt Peter Pilz. "Da werden sicher ganz viele junge Leute dabei sein. Und die Hälfte davon werden Frauen sein."

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"Die Partei wird sicher nicht Uga-uga-Partei heißen", sagt Pilz. Auch der Name "Pilz-Köpfe" ist bereits verworfen worden.

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Pilz setzt auf Spenden: "Wir werden mit bescheidenen Mitteln auch einen Straßenwahlkampf führen. Das wird keine Millionen kosten." Plakate hält er für eine Belästigung und für eine Verschwendung.

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STANDARD: Wie hoch schätzen Sie das Potenzial einer Liste Pilz ein?

Pilz: Ich kann es nicht in Prozenten sagen. Ich kann es in politischen Hoffnungsfeldern beschreiben. Wir kandidieren nicht als neue grüne Partei. Wir werden täglich mehr und überlegen, uns an zwei große Gruppen zu wenden: Das sind vor allem Nichtwähler, und das sind Protestwähler. Das habe ich in meiner Partei viele Jahre lang vorgeschlagen, dazu waren die Grünen nicht bereit. Ich bin dazu bereit.

STANDARD: Wie wollen Sie denn diese Menschen ansprechen?

Pilz: Nichtwähler sind zu einem großen Teil Menschen, die bereit wären, zu wählen, wenn sie eine Alternative sehen. In ganz Europa wissen wir, dass Nichtwähler hauptsächlich Menschen sind, die sich von einem politischen System der Altparteien abgewandt haben. Die Leute wenden sich dorthin, wo sie sehen, dass etwas Neues entsteht, dass mit dem alten politischen System gebrochen wird.

STANDARD: Dieses Angebot sind Sie?

Pilz: Ich habe im Parlament schon seit Jahren versucht, dieses System aufzubrechen. Die Allianzen mit Otto Pendl von der SPÖ oder Werner Amon von der ÖVP haben gezeigt, dass eine ganz andere Politik möglich ist. Wir wollen ein starkes Parlament, wir wollen etwas gemeinsam machen. Das alleine hat schon viel bewirkt. Noch viel mehr kann eine Bürgerinitiative bewirken: Wir nehmen uns vor, mit möglichst großer Unterstützung durch die Menschen ein paar wichtige Probleme anzugehen und vielleicht auch zu lösen. Wenn wir gewählt sind, suchen wir uns Verbündete in allen Parteien. Und die Protestwähler haben genug von Parteibuchwirtschaft, Machtmissbrauch und Korruption. Das ist für mich die einfachste Aufgabe. Genau dafür stehen Gabi Moser und ich.

STANDARD: Was haben Sie denn inhaltlich anzubieten?

Pilz: Die Grundfragen der europäischen Politik sind Fragen der Gerechtigkeit und der Sicherheit. Die Frage der Gerechtigkeit ist eine ganz einfache Frage, die in Österreich von niemandem wirklich beantwortet wird. Wie sorge ich für eine faire Verteilung von Arbeit, Einkommen und Lebenschancen? Wie sorge ich dafür, dass Finanzministern das Handwerk gelegt wird, die nur darauf schauen, dass jeder Kleine pünktlich seine Steuern zahlt und jeder Große aus seiner Steuerpflicht flüchten kann? Wie sorge ich dafür, dass die Republik wieder fairer und solidarischer wird? Wie schütze und modernisiere ich den europäischen Sozialstaat, der die Basis des europäischen Friedens ist?

STANDARD: Und wie steht es mit der Frage der Sicherheit?

Pilz: Die Unsicherheit in Europa hat immer soziale Wurzeln gehabt. Darüber hinaus gibt es neue Bedrohungen in Europa. Das ist die neoliberale Zerstörung der Grundlagen unseres Wohlfahrts- und Sozialstaates, das ist der Angriff der extremen Rechten mit dem Ziel der Zerstörung des gemeinsamen Europas, und das ist der große Angriff des politischen Islam auf unsere Heimat Europa – auf unser Europa der Menschenrechte, des Rechtsstaats, der Trennung von Staat und Kirche und des Rechts, sein eigenes Leben zu bestimmen. Der politische Islam ist deshalb eine große Gefahr, weil hier Brückenköpfe gebaut werden und versucht wird, Teile unserer muslimischen Mitbürger zu instrumentalisieren und gegen uns in Stellung zu bringen. Davor habe ich meine Partei immer gewarnt.

STANDARD: Warum wollten sich die Grünen dieses Themas nicht annehmen?

Pilz: Ich versteh es bis heute nicht. Aber ich habe damit abgeschlossen. Ich kann die Grünen nicht ändern. Also ist es besser, sich auf eine vernünftige und möglichst freundliche Art zu trennen und auf getrennten Wegen zu versuchen, Menschen zu überzeugen.

STANDARD: Damit würden Sie auch bei den Grünen Wähler abziehen.

Pilz: Von 2015 bis 2017 ist die Zustimmung für die Grünen von etwa 15 Prozent auf etwa acht Prozent gefallen. Das hat die grüne Spitze aus eigener Kraft erreicht – trotz aller erfolgreicher Projekte von Bildungspolitik über Umweltpolitik bis zur Korruptionsbekämpfung. Eine Halbierung. Am vorläufigen Tiefpunkt ist es zu einem Führungswechsel gekommen. Dann war der Linzer Bundeskongress. Das Ergebnis dieses Bundeskongresses hat zu einem großen Exodus geführt.

STANDARD: Die grüne Bundespartei hält dem entgegen, dass nur zehn Parteiaustritte gezählt wurden.

Pilz: Ich zähle keine Austritte. Und die Menschen, die sich jetzt von den Grünen abwenden, kann ich gar nicht zählen. Man kann sich zurücklehnen und sagen: Okay, tut uns leid, die sind verloren. Dann fehlen diese Stimmen auf dieser Seite der Republik. Ich weiß nicht, ob das zehntausend oder fünfzigtausend sind. Ich weiß, dass es sehr viele sind. Die Grünen werden diese Menschen nicht zurückholen können, nicht bei dieser Nationalratswahl. Wenn wir eine neue Liste machen, dann sind wir es, die diese Menschen zurückholen können und Schwarz-Blau wieder schwächer machen.

STANDARD: Ein Argument gegen Ihre Liste ist, dass das linke Lager dadurch aufgesplittert und Schwarz-Blau befördert wird. Eine Mehrheit SPÖ-Grüne-Neos wäre dahin.

Pilz: Ich habe selten so einen Unsinn gehört. Eine Mehrheit links der Mitte, falls man überhaupt noch mit diesen Richtungsbegriffen operieren kann, gibt es ja nur, wenn endlich für unsere Seite in großer Zahl Nichtwähler und Protestwähler gewonnen werden. Das hat bisher niemand, der sich links nennt, ernsthaft versucht. Glaubt denn irgendwer, dass Grüne oder KPÖ plus in nennenswerter Weise Nichtwähler oder Protestwähler mobilisieren können? Das ist ja nicht der Fall. Wir haben diese Chance.

STANDARD: Das hieße, dass man auch von der FPÖ Protestwähler abziehen können müsste.

Pilz: Ja, selbstverständlich. Ich bin überzeugt davon. Ich merke das an den Zuschriften. Und ich weiß auch, dass wir viele, die Kurz wählen wollten, als einzig neue Initiative ansprechen können.

STANDARD: Sie rechnen mit einem Einzug ins Parlament?

Pilz: Ja, ganz sicher.

STANDARD: In Neos-Größe? Die hatten zuletzt fünf Prozent.

Pilz: Damit kann man die politische Richtung in der Republik nicht bestimmen. Ich hoffe auf mehr. Alle wissen, dass bei dieser Nationalratswahl über die politische Richtung der Republik entscheiden wird.

STANDARD: Und die Liste Pilz wäre dann der Mehrheitsbeschaffer für die SPÖ?

Pilz: Nein. Wenn wir erfolgreich sind, ist das für alle ein Signal, die Richtung zu ändern. Dann wird sich auch die ÖVP etwas überlegen müssen, auch die Grünen. Das wird heißen: Ändert euch!

STANDARD: Wie könnte der Wahlslogan lauten?

Pilz: Zum Beispiel: Wählt uns, ich würde mich sehr freuen.

STANDARD: Gibt es schon einen Namen für die Liste?

Pilz: Wir denken noch nach. Den Namen "Pilz-Köpfe" haben wir wieder verworfen.

STANDARD: Wer könnte bei so einer Liste mitmachen? Wird das so eine Ansammlung von Silberrücken? Pilz, Öllinger, Voggenhuber, Zinggl ...

Pilz: Sicher nicht. Es wird keine Grünen-Liste. Da werden sicher ganz viele junge Leute dabei sein. Und die Hälfte davon werden Frauen sein, na selbstverständlich. Die Partei wird sicher nicht Uga-uga-Partei heißen.

STANDARD: Sollen das prominente Namen sein, oder sind da auch neue, unbekannte Leute dabei?

Pilz: Jede dieser Personen soll für ein konkretes Projekt stehen. Dafür muss man nicht prominent sein, da muss man gut sein. Wir machen sicher kein All-Star-Ding.

STANDARD: Wie ließe sich so ein Wahlkampf finanzieren? Wo soll das Geld herkommen?

Pilz: Airbus, Haselsteiner und Stronach haben sich noch nicht gemeldet und Novomatic auch nicht. Der Schlüssel heißt Crowdfunding. Viele Leute melden sich und sagen, sie seien bereit, 100, 300 oder 500 Euro zu spenden. Wenn ich das mit 1000, 2000, 3000 multipliziere, dann haben wir für einen Wahlkampf, wie ich ihn mir vorstelle, genug Geld.

STANDARD: Plakatieren kann man damit nicht.

Pilz: Viele Menschen empfinden die klassischen Steuergeldwahlkämpfe der Altparteien zu Recht als Belästigung. Ich habe in den letzten Tagen viel Öffentlichkeit gehabt, und das hat mich genau null Cent gekostet. Das wird nicht immer so bleiben. Wir werden ein Büro brauchen und ein paar Unterlagen, in denen unsere Argumente zusammengefasst sind. Wir werden mit bescheidenen Mitteln auch einen Straßenwahlkampf führen. Wir werden ein paar Veranstaltungen machen. Das wird keine Millionen kosten. Ich halte das für Verschwendung.

STANDARD: Zum Boulevard haben Sie ein gutes Verhältnis, anders als die meisten Grünen. Ist es notwendig, mit Michael Jeannée und dem Hund von Richard Schmitt zu kuscheln? Dieses Foto wird auf Facebook verbreitet. Muss man sich an den Boulevard anbiedern, um erfolgreich zu sein?

Pilz: Überhaupt nicht. Ich habe mich nie an den Boulevard angebiedert, ich habe mit der "Kronen Zeitung" gestritten, ich habe mit "Österreich" gestritten, aber ich arbeite dort auch mit einigen Journalisten hervorragend zusammen. Und wenn ich in der "Krone"-Redaktion auf ein Interview mit Conny Bischofberger warte und der Hund von Schmitt setzt sich neben mich und dann noch der Jeannée, dann bricht für mich weder die Sitzbank noch die Welt zusammen.

STANDARD: Wie wird die Trennung mit den Grünen ablaufen? Es ist paradox: Wir sitzen hier im Büro der Grünen, und Sie machen Werbung für Ihre eigene Liste.

Pilz: Es ist für alle Beteiligten nicht ganz einfach. Es ist ein Glücksfall, dass Albert Steinhauser Klubobmann ist und wir ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis haben.

STANDARD: Aber dessen Geduld könnte bald überstrapaziert sein.

Pilz: Ich habe ihn über dieses Interview informiert. Und ab morgen ist zwei Wochen lang Schluss mit allen Interviews. Dann gibt es nur noch den Eurofighter-Untersuchungsausschuss. Das sind vielleicht meine letzten beiden Wochen als grüner Abgeordneter. (Michael Völker, 3.7.2017)