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Scharf an der Toleranzgrenze: Mehr als 1000 Tonnen Mist liegen mittlerweile auf den Straßen von Athen und Thessaloniki. Die Kreditgeber erlauben nur befristete Verträge für städtische Arbeiter.

Foto: AP / Giannakouris

Ein Notdienst, der die schlimmsten Auswüchse der Mistberge auf Athens Straßen abträgt, ist das einzige Zugeständnis, das die griechische Regierung von der Gewerkschaft nach mehr als einer Woche Streik der Müllarbeiter im Land erhalten hat. Griechenlands Premier Alexis Tsipras dachte, er hätte sich nach der jüngsten Einigung mit den Kreditgebern wenigstens bis zum Herbst politisch Luft verschafft. Doch nun machen ihm die Arbeiter bei Städten und Gemeinden einen Strich durch die Rechnung. Das Kräftemessen mit der kleinen Gewerkschaft POE-OTA der kommunalen Ar beiter wird zu einer weiteren harten Belastung der seit nun zweieinhalb Jahre amtierenden linksgeführten Regierung.

Mehr als 1000 Tonnen Mist liegen nach Schätzungen mittlerweile allein in den Großstädten Athen und Thessaloniki zum Teil meterhoch auf Straßen und Plätzen. Von verrottendem Mist aufsteigende süßliche Schwaden hängen mehr oder weniger kräftig überall in der Luft. Nur bei den Krankenhäusern wird der Dreck abgefahren, um das Risiko für die Gesundheit nicht noch zu erhöhen. Schon heute, Donnerstag, klettern aber die Temperaturen im Großraum Athen weiter in die Höhe; am Freitag und Samstag sollen sie bei über 40 Grad liegen. Bis dahin muss die Regierung einen Deal mit dem streikenden Mistpersonal geschafft haben.

Um die 6000, nach Gewerkschaftsangaben 10.000 Arbeiter mit befristeten Verträgen geht es. 600 bis 700 Euro im Monat bekommen sie für das Leeren von Müllcontainern. Mit Ende dieser Woche verlieren sie aber ihre Anstellung bei den Kommunen. Das Sparkorsett, das die Kreditgeber der griechischen Regierung angelegt haben, wendet sich einmal mehr gegen die Bevölkerung, so scheint es.

Dreimal verlängert

Giorgos Patoulis, Präsident des Verbands der Städte und Gemeinden in Griechenland und selbst Bürgermeister des Stadtteils Marousi im Athener Norden, macht allerdings in erster Linie die Regierung Tsipras verantwortlich für das Drama mit dem Müll. Dreimal habe sie die auf jeweils acht Monate befristeten Arbeitsverträge einfach verlängert und den Ar beitern vorgegaukelt, sie würden am Ende eine Festanstellung erhalten, so sagt Patoulis. Doch der Rechnungshof, der in Griechenland zugleich als Verwaltungs gericht fungiert, hat diese Vertragsverlängerungen erst jüngst in einem Urteil als verfassungswidrig erklärt. Dass die Müllarbeiter nun auf die Straße gesetzt werden müssen, habe sich die Regierung also selbst zuzuschreiben, sagt Patoulis, der auch Präsident der Athener Ärztevereinigung ist. Die Mistberge, so warnt er, sind eine ernste Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

Neuanstellungen in den Kommunen wie auch sonst im öffentlichen Dienst haben die Kredit geber gedeckelt. Nur Zeitarbeitsverträge sind in den städtischen Verwaltungen möglich, und auch dies nur eingeschränkt zur Be wältigung von Notsituationen wie Erdbeben und Bränden.

Andererseits aber gab es das System mit den befristeten Verträgen in den Kommunen auch schon vor der großen Finanzkrise. Es war billiger, und es zahlte sich politisch aus, geben ehemalige Offizielle zu. Wähler konnten auf diese Weise zur Stimmabgabe für eine der damals großen Parteien verpflichtet werden – für die sozialistische Pasok oder die konservative Nea Dimokratia.

Bei seinen Verhandlungen mit dem Gewerkschaftsboss der kommunalen Arbeiter diese Woche setzte sich Tsipras offenbar über die Auflagen der Kreditgeber hinweg. Er versprach die Festanstellung von zunächst 2500 Arbeitern und schloss auch eine Privatisierung der Mistentsorgung aus.

Der Gewerkschaft war das aber noch zu wenig. Sie will heute ihre Mitglieder in Athen aufmarschieren lassen und erst danach über eine Fortsetzung des Streiks entscheiden. (Markus Bernath aus Athen, 28.6.2017)