Ministerpräsident Edi Rama bei der Stimmabgabe. Seine regierenden Sozialisten bleiben ersten Nachwahlbefragungen zufolge die stimmenstärkste Partei.

Foto: AFP PHOTO / Gent SHKULLAKU

Tirana – Bei der Parlamentswahl in Albanien zeichnet sich ein klarer Sieg der regierenden Sozialisten (PS) ab. Die Partei von Ministerpräsident Edi Rama kam nach Auszählung der Stimmen in 30 Prozent der Wahllokale auf 52 Prozent, wie die Zentrale Wahlkommission am Montag in der Früh in Tirana mitteilte.

An zweiter Stelle folgt demnach die Demokratische Partei (PD) von Oppositionsführer Lulzim Basha mit knapp 30 Prozent. Ramas bisheriger Koalitionspartner, die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) des gewählten Präsidenten Ilir Meta, liegt den Teilergebnissen zufolge mit knapp 16 Prozent auf Platz drei. Von der Reihenfolge hat sich also im Vergleich zum Wahlausgang vor vier Jahren nichts geändert. Prognosen zufolge könnte Rama nach jetzigem Stand nun aber sogar auf eine absolute Mehrheit von 76 der 140 Sitze kommen und damit künftig alleine regieren. Die Hochrechnungen gelten jedoch als nicht ganz zuverlässig.

Die Mehrheit der albanischen Bürger hat von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht. Mit 45 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung ein historisches Tief. Die regierenden Sozialisten könnten auf eine absolute Mehrheit kommen.
ORF

Öffentlich kommentierte Rama seinen prognostizierten Wahlsieg bisher nicht. Medienberichten zufolge schickte er bisher lediglich eine Nachricht an die Abgeordneten seiner Partei mit "Wir haben gewonnen!". Ein Parteifreund des Regierungschefs, der Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj, feierte im Kurznachrichtendienst Twitter den "Sieg einer Politik des Fortschritts, der Reformen und der europäischen Perspektive".

Nachdem vorangegangene Wahlen in Albanien immer wieder von Gewalt und Betrugsvorwürfen überschattet waren, verlief der Urnengang diesmal ohne größere Zwischenfälle. Rund 3.000 Wahlbeobachter waren im Einsatz, darunter mehr als 300 aus dem Ausland.

Geringe Wahlbeteiligung

Wegen niedriger Wahlbeteiligung wurde die Abstimmung am Sonntagabend um eine Stunde verlängert. Dennoch lag sie nur bei 46,5 Prozent und erreichte damit einen neuen Tiefstand. 2013 betrug die Beteiligung knapp 54 Prozent. Die Bürger hätten die Parteien mit ihrer Wahlweigerung regelrecht abgestraft, kommentierten heimische Experten die Lage. Offensichtlich haben viele Wähler den drei großen Parteien ihr Versprechen, in dem armen Balkanland endlich tiefgreifende Reformen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anzustoßen, nicht abgenommen. Die Parteien hatten sich bisher weniger als Volksparteien gezeigt, sondern als Interessensvertreter für ihre Funktionäre und Spitzenpolitiker. Sie hatten sich gegenseitig vorgeworfen, mit der mächtigen Organisierten Kriminalität und in den illegalen Cannabis-Anbau verstrickt zu sein.

Beherrschendes Thema des Wahlkampfs war die schlechte Wirtschaftslage. Die Wirtschaftsprogramme der beiden großen Parteien unterschieden sich kaum. Albanien gehört zu den ärmsten Staaten Europas. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei nur 340 Euro. Viele junge Albaner gehen angesichts von Arbeits- und Perspektivlosigkeit ins Ausland. Mittlerweile leben dort 1,2 Millionen Albaner, 2,9 Millionen in Albanien selbst. Ein Drittel der Jugend im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos. So ergibt sich auch ein Missverhältnis zwischen den offiziell knapp 3,5 Millionen Wahlberechtigten und jenen, die tatsächlich im Land sind und abstimmen (können).

Der Ausgang der Wahl dürfte auch ein wichtiges Signal für Brüssel sein: Albanien ist seit 2014 offizieller EU-Beitrittskandidat und hofft auf einen Beginn der Beitrittsverhandlungen noch heuer. Laut Rama wollen Sozialisten und Demokraten nach der Wahl gemeinsam den Beginn der Verhandlungen beantragen. In ihrem jüngsten Bericht zu Albanien kritisierte die EU allerdings das weiterhin langsame, ineffektive Justizsystem sowie weitverbreitete Korruption. Die Regierung und die PD hatten hier zwar eine gemeinsame Gesetzesreform im Parlament beschlossen, die Umsetzung stockt aber. Auch der Cannabis-Anbau und Drogenhandel in dem südosteuropäischen Land ist ein Problem. (APA, 26.6.2017)