Der Sozialist Edi Rama ist seit 2013 Premier von Albanien.

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Tirana/Sarajevo – Der Premier wirkt sehr selbstsicher. Edi Rama hat auch allen Grund dazu. In den letzten Umfragen vor der Wahl am heutigen Sonntag lagen seine Sozialisten (PS) bei etwa 43 Prozent, die Demokraten (PD) bei 36 Prozent und die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) bei zwölf Prozent der Stimmen. In Albanien spielte die LSI in der Vergangenheit oftmals den Königsmacher und entschied, ob Demokraten oder Sozialisten an die Macht kamen.

Eine der beiden großen Parteien beschließt in der Regel bereits im Vorfeld der Wahlen eine Koalition mit der LSI. Nicht dieses Mal – im Gegenteil: Beide Großparteien attackieren die LSI. Offensichtlich läuft es auf eine große Koalition zwischen PS und DP hinaus. Ermöglicht wurde das durch den großen "Deal" am 18. Mai. Die Demokraten hatten zuvor drei Monate lang das Parlament boykottiert und angekündigt, an den Wahlen nicht teilnehmen zu wollen, falls Rama nicht zurücktreten würde.

Mehr Cannabisplantagen

Einer der Gründe war, dass die DP unter Oppositionsführer Lulzim Basha in Umfragen weit hinten lag. Er argumentierte, dass seit dem Amtsantritt von Rama im Jahr 2013 die organisierte Kriminalität weiter in die Politik eingedrungen sei, die Wahlen deshalb nicht fair abgehalten werden könnten und illegale Cannabisplantagen im ganzen Land wucherten. Letzteres ist mit freiem Auge zu sehen.

Zahlreiche EU-Vertreter waren nach Tirana gereist. Am Ende war der Auftritt des US-Vize-Staatssekretärs Hoyt Brian Yee am 15. Mai entscheidend. Basha lenkte plötzlich ein, die Wahlen wurden um eine Woche auf diesen Sonntag verschoben. Eine Übergangsregierung wurde gebildet, in der die Demokraten sechs Minister stellen, und die Opposition darf die Wahlkommission leiten.

Keine Handyfotos aus der Wahlzelle

Entscheidend sind aber die Maßnahmen, die verhindern sollen, dass öffentlich Bedienstete wie Lehrer oder Polizisten – wie sonst üblich – von Parteien für den Wahlkampf "eingespannt" werden können. Einige dutzend Beamte wurden wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gleich aus ihren Positionen entfernt. Zudem wurden Wahlfälschung und Stimmenkauf unter Strafe gestellt. Verboten ist auch das Handyfoto in der Wahlzelle – auf dem Balkan ist es normal, dass Bürger solche Fotos von ihren Stimmzetteln nach der Wahl Parteileuten zeigen, um Loyalität zu beweisen und den eigenen Job in der Verwaltung zu sichern.

Manche Beobachter denken, dass die große Koalition vom Westen gefördert wird, um die Justizreform umzusetzen. Andere meinen, dass ein geheimer Teil des Deals zwischen Rama und Basha darin besteht, genau dieser Justizreform doch noch die Zähne zu ziehen. Zurzeit werden Untersuchungskommissionen gebildet, die korrupte Staatsanwälte und Richter entfernen sollen. Die Richtervereinigung hat allerdings beim Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz geklagt.

Beitrittsverhandlungen 2019

Die Umsetzung der Reform ist ausschlaggebend für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen. Im Herbst wird mit einem positiven Bericht der EU-Kommission gerechnet. Im zweiten Halbjahr 2018, wenn Österreich den Vorsitz hat, dürfte die Entscheidung fallen, und 2019 dürften tatsächlich die ersten Kapitel eröffnet werden.

Das Interesse des Wahlvolkes am Urnengang scheint überschaubar. Bis 10.00 Uhr haben nur zwölf Prozent der rund 3,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, berichtete die staatliche Wahlkommission in Tirana. Bei der letzten Abstimmung waren es noch doppelt so viele gewesen. (Adelheid Wölfl, 25.6.2017)