Zwei noble Herren im Ring: Anthony Joshua und Wladimir Klitschko.

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Das Ende eines bemerkenswerten Kampfes: nach einem weiteren Niederschlag Klitschkos stoppt Ringrichter Fields die Auseinandersetzung in Runde elf.

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London – "Wahrscheinlich will Klitschko einen Rückkampf", sagte Anthony Joshuas Promoter Eddie Hearn und wurde nur wenige Stunden nach dem wohl besten Schwergewichtskampf der letzten zehn Jahre konkret. Als Ort brachte der Manager das Millennium Stadion im walisischen Cardiff ins Gespräch. Nach Deutschland würde sein Boxer nicht gehen. Vor Oktober komme ein zweites Duell aber nicht in Frage, da Wladimir Klitschko "einen hässlichen Cut" kassierte.

Das Klitschko-Lager reagierte zurückhaltend. "Solange Wladimir keine Entscheidung getroffen hat, reden wir nicht über Austragungsorte", sagte Manager Bernd Bönte. "Ein Rückkampf würde aber aus finanziellen Gründen eher nicht in Deutschland stattfinden." In Großbritannien seien im Ticketing höhere Erlöse zu erzielen.

Klitschko: "Bin glücklich"

Als Klitschko in den Katakomben des Wembley-Stadions vor die Presse trat, sah er schon wieder erstaunlich erholt aus. Die Verletzung am linken Auge war überschminkt, sein Blick drückte Entschlossenheit aus. Der Altmeister wollte trotz der schmerzhaften K.o.-Niederlage gegen Joshua keine Schwäche zeigen – und das große Thema Rücktritt wischte er vorerst zur Seite.

"Ich bin glücklich, das war ein großer Fight", sagte Klitschko und sorgte damit doch für etwas Verwunderung. Beide Boxer hatten den 90.000 Zuschauern im britischen Fußball-Tempel eine mitreißende Ringschlacht geboten, die Box-Laien wie -Experten von den Sitzen riss. Der Guardian schrieb von einer "epischen Wembley-Schlacht", selbst der tief gefallene Klitschko-Bezwinger Tyson Fury zollte Respekt für einen "guten Kampf auf Leben und Tod".

Manche Experten hatten befürchtet, der Fight gegen den viel erfahreneren Klitschko wäre zu früh für Joshua gekommen. Fast hätten sie recht behalten, als der 27-Jährige in der sechsten Runde zum ersten Mal in seiner Karriere zu Boden ging und vor dem K.o. stand.

"Ich war definitiv erschöpft, aber ich wusste, dass ich mich davon erholen kann", erklärte der Brite später. Und Klitschko räumte ein, er hätte nachsetzen sollen, wie es sein Bruder Witali aus seiner Ecke lautstark gefordert hatte.

Rückkampf vertraglich zugesichert

Joshua ging aus dem Spektakel als klarer Sieger hervor. In der elften Runde musste man sich nach zwei Niederschlägen Sorgen um Klitschkos Gesundheit machen, ehe Ringrichter David Fields den Kampf abbrach.

Doch Klitschko haderte nicht mit dem Ringrichter und wollte auch noch nicht über ein Karriereende nachdenken. "Ich fühle mich gut und sicher, weil ich die Klausel für einen Rückkampf im Vertrag habe", sagte der 41-Jährige: "Ich werde in den nächsten Wochen darüber nachdenken." Und er betonte, dass für einen nächsten Kampf, sollte er jemals stattfinden, niemand anderes in Frage kommt als Joshua.

Joshua, der auch seinen 19. Kampf vorzeitig gewann, reagierte entspannt. "Ich habe nichts dagegen, noch einmal gegen ihn zu kämpfen, wenn er das möchte", sagte der Olympiasieger von 2012. Er ist durch den Sieg nun nicht nur Titelträger der IBF und IBO sowie Super-Champion der WBA, sondern endgültig der unumstrittene neue Superstar im Schwergewicht. "Joshua schlug sich seinen Weg in die Boxgeschichte und sicherte sich eine goldene Zukunft", schrieb die Times.

Charakter in der Niederlage

Stolz konnten am Ende aber beide Kämpfer sein. Sie boten phasenweise einen offenen Schlagabtausch, den man bei Kämpfen auf diesem Niveau nur selten sieht. Joshua wurde einmal angezählt, Klitschko ging dreimal zu Boden. "In einigen Jahren wird man sagen, das war ein Klassiker", meinte Klitschkos Manager Bernd Bönte.

Tragisch, dass Klitschko mit seiner besten Leistung seit langem scheiterte. "Er erschien in der Niederlage größer, als er es je bei seinen Siegen vermocht hat", schrieb die Washington Post.

"Im Nachhinein kann man natürlich sagen, ich hätte nach dem Niederschlag mehr machen sollen. Aber ich habe mir die Zeit genommen", sagte Klitschko. Dass er in Runde zehn nach Punkten hinten lag, hatte ihm sein Trainer Johnathon Banks geflüstert. Doch nicht Klitschko, sondern Joshua drehte auf und fegte über den Altmeister hinweg.

Klitschko sinnierte nach dem "Kampf für die Ewigkeit" (Daily Telegraph) über den generellen Sinn von Niederlagen, die einen im Leben ohnehin weiterbringen als Siege. "Obwohl ich den Kampf verloren habe, habe ich auch viel gewonnen".

Die britischen Medien lobten den bis auf das letzte Gramm austrainierten Ukrainer für seinen starken Auftritt und seine Fairness. "Klitschko hat einmal mehr seine Klasse gezeigt", befand der "Daily Telegraph".

Joshua: "Sport hat mein Leben gerettet"

Joshua, der zur neuen Galionsfigur des Schwergewichtsboxens aufgestiegen ist, gab sich nach seinem Triumph bodenständig. Die Nähe des Sportlers zu seinem Publikum ist Teil des Konzeptes von Manager Eddie Hearn, der noch viel vor hat mit dem Olympiasieger von 2012.

Die Euphorie fürs Boxen und speziell für Joshua ist auf der Insel enorm. Zusätzlich zu den 90.000 Fans im Stadion verfolgten über 1,2 Millionen Fans den Fight beim Bezahlsender Sky und sorgten damit in Großbritannien für einen neuen Pay-TV-Rekord.

Anthony, der 1,98 m große Modellathlet aus der Kleinstadt Watford nördlich von London hat nicht erst an diesem Samstagabend seine schwierige Kindheit hinter sich gelassen. "Ohne Boxen würde ich wahrscheinlich im Gefängnis sitzen. Der Sport hat mein Leben gerettet", sagte der Sohn nigerianischer Einwanderer einmal.

Erst 2008 entdeckte er das Box-Gym für sich. "Das war der Wendepunkt in meinem Leben", sagte er. Seitdem geht es steil bergauf. Am 9. April 2016 sicherte sich der gelernte Maurer gegen den US-Amerikaner Charles Martin den Titel der IBF. In der zweiten Runde schickte der Jung-Profi den US-Amerikaner auf die Bretter, bislang hat er alle 19 Kämpfe vorzeitig gewonnen. Weitere Siege sollen folgen – schließlich soll AJ ganz Großbritannien wieder zu einer Box-Nation machen. Derzeit scheint niemand in Sicht, der ihn auf diesem Weg stoppen könnte. (sid, APA, red – 1.5.2017)