Podgorica/Sarajevo – Für Boris Johnson ist die Sache klar. "Die (Russen, Anm.) sind damit beschäftigt, die Länder des Westbalkans zu unterminieren – man konnte ja sehen, was in Montenegro passierte", sagte der britische Außenminister am Montag über den russischen Einfluss in Südosteuropa. Johnson bezog sich auf einen angeblichen Putschversuch der prorussischen Opposition bei der Wahl am 16. Oktober 2016.

Andere sind da kritischer. Denn bereits Tage vor dem angeblichen Versuch, die Regierungspartei DPS zu stürzen und den damaligen Premier Milo Ðukanovic zu ermorden, schürte die Regierung Angst vor so einem Szenario. Viele Montenegriner denken deshalb, dass es sich um eine konstruierte Aktion der Regierung handelt.

"Russische Strukturen"

Laut der Anklage des montenegrinischen Staatsanwalts Milivoje Katnic soll der Putschversuch hingegen mithilfe "russischer Strukturen" und serbischer Staatsbürger organisiert worden sein. Die Anklage soll am 16. April erfolgen.

Kürzlich verlangte Katnic sogar, das Parlament solle die Aufhebung der Immunität von Milan Knezevic und Andrija Mandic beschließen, den Führern der proserbischen und pro-russischen Oppositionspartei Demokratische Front. Doch der Oberste Staatsanwalt Ivica Stankovic stellte sich wegen Mangels an Beweisen gegen eine Festnahme. Stankovic betonte außerdem, dass er in seiner Karriere noch nie eine "politische Entscheidung" gefällt habe.

Insgesamt wurden nach dem angeblichen Putschversuch 20 Personen – hauptsächlich serbische Staatsbürger festgenommen. Sechs wurden gleich wieder freigelassen. Neun Angeklagte wollen mit der Staatsanwaltschaft unter Katnic kooperieren, fünf jedoch verweigern die Unterschrift unter ein Schuldeingeständnis.

Klar ist indes nur, dass die Regierungspartei DPS Interesse an der Putsch-Geschichte hat, um ihre eigene Macht zu zementieren. Russland bezeichnete die Vorwürfe, involviert zu sein, als "absurd". Im Hintergrund spielt der anvisierte Nato-Beitritt Montenegros eine große Rolle, der von Russland massiv kritisiert und von Großbritannien unterstützt wird. Offensichtlich geht es nun für London darum, die USA von der Wichtigkeit des Beitritts Montenegros in dem geopolitischen Spannungsfeld zu überzeugen.

Denn seit dem Amtsantritt von Trump ist unklar, wann der US-Senat das Beitrittsabkommen ratifizieren und ob Trump überhaupt seine Unterschrift darunter setzen wird. Montenegrinischen Quellen zufolge ist vor allem Stephen Bannon, Chefstratege im Weißen Haus, gegen den Nato-Beitritt Montenegros. Die beiden prorussischen Oppositionsführer Knezevic und Mandic wandten sich direkt an Bannon, damit dieser den Beitritt verhindern solle.

Spannungen nehmen zu

Bisher haben die beiden Republikaner Rand Paul und Mike Lee die Abstimmung über Montenegro im US-Senat verhindert – sie sind gegen die Nato-Erweiterung, weil sie Russland nicht verärgern wollen. Nun wurde der Einfluss Russlands auf dem Balkan tatsächlich größer. Und seit dem Amtsantritt von Donald Trump nahmen die Spannungen innerhalb fragiler Staaten wie Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, aber auch Spannungen zwischen manchen Staaten, wie Serbien und dem Kosovo, deutlich zu.

Geopolitische Mächte wie Russland oder die Golfstaaten sehen Chancen auf mehr Spielraum, wenn jener der USA in der Region weniger wird. Die Stoßrichtung ist bereits abzulesen. Das russische Außenministerium bezeichnete kürzlich den Kosovo als den größten Faktor für Instabilität. Innerhalb der EU erkennt man nun endlich die Entwicklung. EU-Ratspräsident Donald Tusk will das Thema auf die Agenda des nächsten EU-Gipfels setzen. (Adelheid Wölfl, 8.3.2017)