Marine Le Pen in Nöten.

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Das Europaparlament in Straßburg stimmte mit Handheben und in großer Mehrheit für die Immunitätsaufhebung. "Das Ergebnis scheint klar zu sein", sagte der griechische Sitzungsleiter Dimitrios Papadimoulis danach. Marine Le Pen kann also verfolgt werden.

Sie hatte Ende 2015 über ihr Twitter-Konto Bilder von extremer Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) veröffentlicht, so etwa eines von einem syrischen Soldaten, der von einem Panzer lebend überrollt worden war, oder von einem lebendig verbrannten jordanischen Piloten. Zudem postete sie ein Bild vom enthaupteten Körper der US-Geisel James Foley. "So ist der IS", kommentierte sie.

Foleys Eltern protestierten umgehend gegen die Verwendung des Bildes ihres getöteten Sohnes zum politischen Profit der französischen Front-National-Chefin und nunmehrigen Präsidentschaftskandidatin. Diese löschte die Bilder noch am gleichen Tag. Die Staatsanwaltschaft in Paris-Nanterre startete dennoch ein Verfahren wegen "Verbreitung gewalttätiger Bilder". Le Pen verweigerte die Einvernahme mit Verweis auf ihre Immunität im Europaparlament. In einem Radiointerview erklärte sie, sie habe mit den Bildern nur aufzeigen wollen, wie lächerlich ein zuvor erstellter Vergleich eines Pariser Radiojournalisten zwischen Le Pen und dem IS sei. Nach dem Entscheid des EU-Parlamentes dürfte Le Pen nun eine neue Vorladung erhalten.

Horror statt Politprofit

Im TV-Sender LCI erklärte sie am Donnerstag, sie habe mit den Bildern nur "den Horror anprangern" wollen. "Ich bin Abgeordnete und tue nur meine Arbeit als solche, wenn ich den IS denunziere", argumentierte sie, um dem Europaparlament vorzuwerfen, den Immunitätsbescheid bewusst auf die Wahlkampfphase in Frankreich gelegt zu haben. Straßburg rechnete daraufhin vor, dass dieser Entscheid fünf Monate gedauert habe, das heißt ähnlich viel wie in den 15 jüngsten ähnlichen Fällen einer Immunitätsaufhebung.

Der Entscheid des Europaparlaments betrifft an sich nicht die andere, bedeutendere Le-Pen-Affäre rund um die Scheinbeschäftigung parlamentarischer Assistenten. Diesbezüglich weigerte sich Le Pen ebenfalls, einer Vorladung der Justiz Folge zu leisten. Dabei führt sie allerdings nicht ihre Immunität an, sondern erklärte generell, die Ermittlung sei in der aktuellen Präsidentschaftskampagne "politisch motiviert".

Kenner des französischen Wählerverhaltens bezweifeln allerdings, dass diese Justizaffären überhaupt Auswirkungen auf den Wahlkampf haben. Die Anhänger Le Pens dürften sich durch die komplizierten Verfahren kaum beeinflussen lassen. Immerhin verzichtet die Rechtsextremistin seit einiger Zeit auf den Vorwurf an etablierte Politiker, sie seien "tous pourris" ("allesamt korrupt"). Auch den konservativen Gegenkandidaten François Fillon, der mit einer ähnlichen Scheinjobaffäre kämpft, verschont sie deswegen in auffälliger Weise. (Stefan Brändle aus Paris, 2.3.2017)