Bisher galt Pablo Iglesias (re.) bei Podemos als Herr im Hause, doch die Gruppe um Íñigo Errejón (li.) gewinnt an Einfluss – und mit ihr die Überzeugung, konstruktivere Politik machen zu müssen.

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Völlig zerstritten geht Podemos in den erst zweiten Parteitag der Geschichte der Protestbewegung. Eigentlich wäre es ein Moment, um sich zufrieden zurückzulehnen. Hinter der drei Jahre jungen spanischen Partei liegen sieben Wahlen. Sie ist im Europaparlament vertreten, regiert in den wichtigsten Städten, sitzt in allen Regionalparlamenten und ist drittstärkste Kraft im Kongress und Senat. Die Regierung stellt der konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) unterstützen ihn, die Sozialisten (PSOE) dulden ihn. Podemos gilt damit als einzige tatsächliche Opposition.

Das "Schnellboot", wie sie das Konzept nennen, das auf der ersten Bürgerversammlung entstand, soll am Wochenende einem "größeren Schiff" für ruhigere Zeiten weichen. Doch welche Strategie die richtige ist, darüber streiten sich – die "Pablistas" um Generalsekretär Pablo Iglesias und die "Errejonistas" um Íñigo Errejón, Nummer zwei der Partei.

Das Erbe der Empörten

"Wir regieren nicht, deshalb müssen wir uns stärken, indem wir Schützengräben in der Zivilgesellschaft ausheben", erklärt Iglesias, der eine "Gegenmacht auf gesellschaftlicher Ebene" bilden will. Er sieht die Abgeordneten als Aktivisten. Errejón will von "alter Politik" ohne Aussicht auf eine breite Mehrheit nichts wissen, sondern das Erbe der Empörtenbewegung wahren – und das sei nicht links, sondern "transversal".

"Mit der bisherigen linken Politik waren wir nicht in der Lage, neue Mehrheiten zu bilden. Warum dorthin zurückkehren?", fragt Rita Maestre. Die 28-jährige Politologin ist eine der engsten Vertrauten Errejóns. Vergangenen November versuchte sie bei Urwahlen Podemos-Generalsekretärin in der Region Madrid zu werden. Sie unterlag nur knapp dem von Iglesias unterstützten Kandidaten. Seither spitzt sich der Konflikt zwischen Pablistas und Errejonistas zu. "Wir dürfen nicht zulassen, dass uns unsere Gegner dort hinstecken, wo es für sie am besten ist: in die Ecke der Folklore, der ständigen Nörgler, des Widerstands."

"Kraft mit Führungsanspruch"

Immer wieder müssen sich Errejón und sein Umfeld vorwerfen lassen, sie seien zu "moderat" und würden sich "den Sozialisten andienen". Maestre weist dies weit von sich: "Wir sind eine politische Kraft mit Führungsanspruch, die die dynamischsten Teile unserer Gesellschaft umfasst. Wir brauchen ein besonnenes Verhältnis zum PSOE. Wir müssen ständig überprüfen, was die besten Praktiken sind, um unsere Ziele zu erreichen, anstatt andauernd zu moralisieren." Man müsse den PSOE zwingen, zwischen Wandel und PP zu entscheiden.

Juan Carlos Monedero gehört wie Iglesias und Errejón zum engen Kreis von Professoren an der Madrider Universität, die Podemos einst gründeten. Wenn er den Namen Errejón hört, schimpft er nur noch: Er falle Iglesias in den Rücken. "Die Auseinandersetzung und deren Zuspitzung durch die Medien hat dieses besondere Etwas zerstört", sagt Monedero.

Warnung vor Trump und Le Pen

Dabei tritt Errejón gar nicht gegen Iglesias als Generalsekretär an. Er begnügt sich mit dem sogenannten Bürgerrat. Doch dort könnte es für Iglesias’ Strömung knapp werden, denn die Errejonisten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Iglesias reagiert mit Entlassungen von Beratern und Mitarbeitern und umgibt sich zusehends mit Exmitgliedern der kommunistischen Jugend.

Der Philosoph Santiago Alba Rico hat sich von Iglesias abgewandt. Sollte sich Iglesias nun durchsetzen, "wird es nur noch eine schwache Podemos geben", befürchtet er. "Wir brauchen aber eine Podemos, die wächst und Lösungsvorschläge macht. Wenn Podemos keine Antworten gibt, werden die Menschen sie sonst wo suchen", warnt Alba und hat dabei Marine Le Pen in Frankreich oder Donald Trump in den USA vor Augen. (Reiner Wandler aus Madrid, 8.2.2017)