Bild nicht mehr verfügbar.

Gazprom-Chef Alexei Miller muss die Kosten für die Pipeline Nordstream 2 alleine schultern, weil seine europäischen Partner abgesprungen sind.

Foto: Reuters/Maxim Shemetov

Moskau – Gazprom hat die Hoffnung auf europäische Partner beim Pipelineprojekt Nordstream 2 – zumindest in näherer Zukunft – wohl aufgegeben: Der russische Gasexportmonopolist stellt in diesem Jahr für den neuen Strang der Ostseepipeline 1,75 Milliarden Euro bereit, doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Da Gazprom die Kosten nicht aus dem Cashflow decken kann, steigt die Schuldenbelastung des Konzerns deutlich an.

Europäer abgesprungen

Eigentlich wollte Gazprom das Projekt Nordstream 2 zusammen mit den europäischen Energieversorgern Engie, OMV, Shell, Uniper und Wintershall realisieren, wobei die Russen mit 50 Prozent plus einer Aktie auch dabei die Kontrolle an dem Joint-Venture behalten hätten. Nachdem die polnische Kartellbehörde im vergangenen Sommer wegen einer möglichen "Einschränkung des Wettbewerbs" ihr Veto gegen den Zusammenschluss eingelegt hatte, sprangen die westlichen Konzerne zunächst wieder ab, wollten die Erweiterung der Ostsee-Pipeline aber trotzdem auf andere Art begleiten. "Ich habe großes Interesse daran, bei diesem Projekt mitzumachen", betonte OMV-Chef Rainer Seele noch im November.

Doch immer noch ist unklar, auf welcher Basis die Investitionen getätigt werden sollen. Als Aktionäre würden die Europäer nicht auftreten, schreibt die Moskauer Wirtschaftszeitung "Kommersant" am Freitag unter Berufung auf informierte Kreise. Damit wird Gazprom vorerst die Kosten für die 2019 in Betrieb gehen sollende 1.200 Kilometer lange Trasse allein tragen müssen. Insgesamt werden die Baukosten auf acht Milliarden Euro geschätzt, durch die nötige Kreditaufnahme soll sich das Projekt auf 9,9 Milliarden Euro verteuern.

Streit macht alles teurer

Zudem gibt es nicht nur mit Polen und Ukrainern Schwierigkeiten, die um ihre Transiteinnahmen fürchten. Nach dem Scheitern von Southstream – auch wegen deutscher Vorbehalte – sind im Gegenzug nun die südeuropäischen Länder auf die Nordstream-Erweiterung schlecht zu sprechen. Zuletzt stellte sich dann auch noch Schweden quer: Die Insel Gotland, die eigentlich als Zwischenlager für einen Teil der 200.000 Nordstream-Röhren gedacht war, hat ihren Hafen Slite gesperrt, nachdem in Stockholm Sicherheitsbedenken gegen das Projekt angemeldet wurden.

Somit droht eine weitere Verteuerung. Für Gazprom ist die Finanzierung ohnehin keine einfache Aufgabe: Der Konzern kämpft einerseits mit extrem niedrigen Rohstoffpreisen – da der Gaspreis mit einer Verzögerung von etwa sechs Monaten an das Öl gekoppelt ist, hat die jüngste Erholung noch nicht gegriffen; andererseits muss Gazprom gleich mehrere Megaprojekte gleichzeitig stemmen.

Riesenprojekte gehen ins Geld

Neben Nordstream 2 werkeln die Russen auch an Turkstream, über welches Gas in die Türkei und von dort potenziell weiter nach Südeuropa gelangen soll. Die Investitionen dafür belaufen sich heuer auf 700 Millionen Euro. Zudem muss für die Versorgung von Nordstream 2 die Jamal-Pipeline Uchta-Torschok erweitert werden, was eine weitere Milliarde verschlingt.

Das kostspieligste Projekt aber ist der Bau einer 4000 Kilometer langen Gasleitung nach China unter dem Namen "Kraft Sibiriens". Die Pipeline mit einer Kapazität von 61 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr wird Gazprom allein heuer 2,5 Milliarden Euro kosten.

Schulden steigen, Gasbedarf auch

Schon das vergangene Jahr hat tiefe Löcher in Gazproms Kriegskasse gerissen. Nach drei abgerechneten Quartalen erhöhte sich die Schuldenlast des Konzerns um fünf Prozent auf insgesamt 34,4 Milliarden Euro.

Immerhin: Der Gasbedarf in Europa steigt den Prognosen nach, während die eigenen Reserven sinken. Auch Chinas Energiehunger ist noch lange nicht gestillt. Sollten Nordstream 2 und die "Kraft Sibiriens" 2019 rechtzeitig in Betrieb gehen, ist Gazprom strategisch gut aufgestellt. (André Ballin, 21.1.2017)