Ministerpräsident Viktor Orbán will eine "illiberale Demokratie".

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Wenn es ein bestimmendes Kriterium für Demokratie ist, dass die Regierung auf friedlichem Wege abgewählt werden kann, dann sieht es in Ungarn schlecht für die Demokratie aus. Der rechtspopulistische Ministerpräsident Viktor Orbán hat seine Macht durch eine neue Verfassung und diverse Gesetze, durch die massive Einengung der demokratischen Öffentlichkeit und durch den Ausbau einer die Wirtschaft durchdringenden Oligarchie dermaßen einzementiert, dass seine Abwahl in absehbarer Zeit undenkbar erscheint.

Dabei ist Ungarn keine Diktatur. Es gibt keine politischen Gefangenen, keine Polizeigewalt gegen oppositionelle Demonstranten, keine offene Zensur. Trotzdem lastet der Hauch von all dem über dem Land. Als die wichtigste Oppositionszeitung "Népszabadság" im Oktober 2016 über Nacht geschlossen wurde, stürmte nicht – wie in der Türkei – die Polizei die Redaktionsräume, sondern die nichtsahnenden Redakteure fanden sich vom Sicherheitsdienst einfach ausgesperrt.

Vor drei Jahren gab es eine große Razzia gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die vom Norwegian Fund unterstützt werden. Nach jahrelangen Ermittlungen stellte sich heraus, dass ihnen nichts Ungesetzliches vorzuwerfen war. Aber die behördlichen Schikanen behinderten sie in ihrer Arbeit. Erst Ende letzten Jahres, nachdem eine andere NGO, die Bürgerrechtsvereinigung TASZ, vor Gericht geklagt hatte, musste das Ministerpräsidentenamt offenlegen, dass Orbán persönlich die Weisung für die brutale Razzia erteilt hatte.

EU kein wesentliches Hindernis

Jetzt will Orbán jenen NGOs (unter ihnen TASZ) den Garaus machen, die von den Stiftungen des US-Philanthropen George Soros gefördert werden. Die "internationale Lage" werde es ermöglichen, sie "wegzuputzen", frohlockte der Vizefraktionschef der Orbán-Partei Fidesz, Szilárd Németh. Damit meinte er die Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump. Autokraten wie Orbán erhoffen sich von ihm, dass die USA nun ihre Politik des beharrlichen Anmahnens von Menschen- und Bürgerrechten aufgeben werden.

Die EU, der Ungarn seit 2004 angehört, ist jedenfalls kein wesentliches Hindernis für Orbáns Demokratieabbau, den er seit 2010 systematisch und strategisch betreibt. Vertragsverletzungsverfahren zu ohnehin minimalen, oft technisch-legistischen Details prallten an Orbáns Fachjuristen wirkungslos ab. Da wurde ein repressives Gesetz den EU-Forderungen verbal angepasst, aber in der Substanz so belassen, dass die repressive Wirkung blieb.

Zugleich haben die EU-Organe kaum juristische Mittel, um die Gesetzgebung eines autokratisch werdenden Mitglieds in ihren systemischen Zusammenhängen zu sanktionieren. Im EU-Parlament wiederum hält die EVP ihrer Mitgliedspartei Fidesz loyal die Stange. Den Demokratieabbau in der Mitte Europas begleitet die Hilflosigkeit der europäischen Politik. (Gregor Mayer aus Budapest, 21.1.2017)