Julia Herr ist sauer über die Absage des Parteitags. Die Arbeit am Parteiprogramm hätte man Josef Cap schon viel früher entziehen müssen, sagt sie.

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Protestschrift der SP-Jugend.

Wien – Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, ist über die Absage des Parteitags schwer verärgert. "Wer argumentiert, dass für einen Parteitag kein Geld übrig sei, kann nicht im gleichen Atemzug eine weitere Veranstaltung für den Plan A ankündigen, wofür komischerweise schon Geld übrig sei", sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Dem Plan A von Kanzler und Parteichef Christian Kern entnimmt Herr zwar sehr viel positives, sie sieht aber auch einige Punkte kritisch, die inhaltlich noch zu diskutieren wären – und zwar auf einem Parteitag.

Parteivorsitzender Kern könne nicht im Alleingang neue inhaltliche Forderungen aufstellen, ohne diese mit seiner Parteibasis zu akkordieren. Als Beispiele führt Herr die Forderung nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag, nach einem Mindestlohn anstelle des bisherigen Kollektivvertragsmodells oder nach einem Mehrheitswahlrecht an. Denn all diese Punkte sind derzeit nicht SP-Beschlusslage, finden sich aber in Kerns Plan A, beklagt Herr.

Keine One-Man-Show

"Eine Partei lebt von inhaltlich lebhaften Diskussionen", sagt Herr und verweist darauf, dass auch beim letzten Parteitag im Jahr 2016 keine programmatischen Anträge zugelassen wurden. Da ging es lediglich um die Wahl von Christian Kern zum Parteivorsitzenden. Herr bewertet es positiv, dass Kern die inhaltliche Diskussion im Land vorantreiben will, fordert aber, dass er sie auch in der eigenen Partei zulassen müsse. "Die SPÖ ist die Summe ihrer Mitglieder und keine Partei, die als One-Man-Show funktionieren kann", sagt Herr. Sie will keine weiteren programmatischen Alleingänge.

Kritik am neuen Stil

Scharfe Kritik kommt auch vom Verband Sozialistischer Studentinnen (VSStÖ). Dessen Vorsitzende Katrin Walch sagt: "Kern muss endlich in der Politik ankommen und seine Rolle als Parteivorsitzender einnehmen und die des Managers hinter sich lassen. Eine Partei lässt sich nicht wie ein Unternehmen führen, in dem der CEO im Alleingang die Ausrichtung des Unternehmens bestimmen kann." Kern vergesse immer wieder darauf, die Basis mitzunehmen. "Er muss aufpassen, dass er am Schluss nicht alleine dasteht", warnt Walch. "Wenn der neue Stil Kerns darin besteht, seine Mitglieder zu übergehen, sich nicht an Parteibeschlüsse zu halten und neoliberale Forderung im Deckmantel linker Rhetorik zu verpacken, können wir getrost auf diesen Stil verzichten."

Neuerlicher Neustart

Dass das neue Parteiprogramm nicht rechtzeitig fertig wurde, macht Herr fassungslos. Bereits 2012 sei das beschlossen worden. "Hat die Sozialdemokratie keine Visionen mehr, die sie zu Papier bringen kann?" Von einem Neustart, wie eben erst wieder verkündet, will sie nichts wissen. "Erst hat Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos diesen Prozess aufgesetzt, dann sein Nachfolger Gerhard Schmid, jetzt gibt es mit Georg Niedermühlbichler schon wieder einen Neustart. Was hat die Partei die letzten Jahre eigentlich gemacht?"

"Worauf warten?"

"Nichts ist so nützlich für die Praxis wie eine gute Theorie" zitiert Herr Bruno Kreisky sinngemäß. Die Sozialdemokratie brauche dringend neue Antworten auf die Fragen, die Kapitalismuskrise, Digitalisierung der Arbeitswelt und Aufstieg der Rechtspopulisten aufwerfen. Herr zitiert das Motto von Kerns Plan A: "Worauf warten?"

Man hätte Josef Cap die Arbeit am Parteiprogramm schon viel früher entziehen müssen, sagt Herr. Es sei absehbar gewesen, dass es mit ihm keinen progressiven und programmatischen Entwurf für ein Parteiprogramm geben würde. Cap und Pensionistenverbandchef Karl Blecha waren noch von Werner Faymann mit der Arbeit an einem Parteiprogramm beauftragt worden. Faymann wollte ein Konzept, in dem sich auch umsetzbare Maßnahmen wiederfinden. Kern hingegen will über die Legislaturperiode hinausdenken und hat Maria Maltschnig, die neue Direktorin des Renner-Instituts, damit beauftragt, ein gänzlich neues Konzept zu erstellen, das bis spätestens April fertig sein soll.

Protest beim Parteivorstand

Beim Parteivorstand protestieren die SJ und VSStÖ gemeinsam mit einem eigens dafür angefertigten Artikel im Stil der alten "Arbeiter-Zeitung". Titel: "Eilt! Plan A: Das A steht für Alleingang". Gefordert wird unter anderem, dass es für zukünftige Programme breite Einbeziehung von Parteimitgliedern geben muss und ein Ende von Politik, die im stillen Kammerl entwickelt wird.

Laut einer Aussendung der Partei soll bis Herbst der Entwurf in den Landes-, Bezirks- und Ortsorganisationen unter Einbindung der Zivilgesellschaft und Interessierter diskutiert werden.

Bis Anfang 2018 werden schließlich alle Parteimitglieder zum neuen Programm schriftlich befragt – erstmals in der Geschichte der SPÖ. Der Beschluss erfolgt dann bei einem Parteitag 2018. (Michael Völker, 20.1.2017)