Titan aus einer Entfernung von 1,3 Millionen Kilometer, aufgenommen von der Nasa-Sonde Cassini.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Der Mars gilt als das nächste große Ziel der bemannten Raumfahrt. Sowohl staatliche Raumfahrtorganisationen, als auch private Initiativen haben in den letzten Jahren ihre teils übertrieben optimistischen Pläne vorgestellt, wie sich unser Nachbar im All mittelfristig mit großen schnellen Raumschiffen erreichen und letztlich vielleicht auch kolonisieren ließe. Bei all der Marseuphorie wird allerdings gerne vergessen, dass der Weg dorthin noch mit Hindernisse gepflastert ist, für deren Überwindung es noch keine technische Lösung gibt.

Dass eine längerfristig bewohnte Siedlung auf dem Roten Planeten aus heutiger Sicht noch außer Reichweite ist, liegt vor allem an der kosmischen Strahlung. Ohne Atmosphäre und schützendes Magnetfeld ist die Marsoberfläche einem permanenten Bombardement hochenergetischer Partikel ausgesetzt. Was diese im menschlichen Körper anrichten können, ist bisher nur in Ansätzen geklärt. Fest steht etwa, dass das Dauerfeuer nicht nur Krebs auslösen kann, sondern das Gehirn auf Dauer schädigt – und eine Bevölkerung, deren kognitiven Fähigkeiten langsam erodieren, ist sicher nicht das, was man sich unter einer zukünftigen Marskolonie vorstellen will.

Kalt, aber ressourcenreich

Aber wo im Sonnensystem könnte die Menschheit sonst ihre Zelte aufschlagen? In der Onlineausgabe der Zeitschrift "Scientific American" haben die beiden Gastautoren Charles Wohlforth und Amanda R. Hendrix in dieser Frage einen ungewöhnlichen, aber letztlich einleuchtenden Vorschlag unterbreitet: Der Buchautor und die ehemalige Nasa-Wissenschafterin halten Titan für den vielversprechendsten Kandidaten für eine dauerhafte Kolonie.

Auf den ersten Blick mögen minus 180 Grad Celsius, die auf der Oberfläche des größten Mondes im Saturnsystem herrschen, nicht unbedingt einladend aussehen. Doch abgesehen von der bitteren Kälte stellt der rund 5.150 Kilometer durchmessende Eismond nach Ansicht von Wohlforth und Hendrix alles zur Verfügung, was eine sich selbst erhaltende menschliche Siedlung benötigen würde. Die Gashülle von Titan besitzt die etwa eineinhalbfache Dichte der Erdatmosphäre. Das und das Magnetfeld des nahen Saturn dürften kosmische Strahlung wirksam abhalten.

Außerdem ist Titan neben der Erde der einzige Himmelskörper im Sonnensystem, der einen echten Flüssigkeitskreislauf besitzt. Seine Oberfläche ist von Flüssen und Seen aus Kohlenwasserstoffen bedeckt, aus den dichten Wolken regnet es Methan und Ethan – eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle. Und auch für Atemluft und Trinkwasser sorgt der Mond: Unter dem Boden finden sich große Massen von Wassereis, aus dem sich ohne großen Aufwand auch Sauerstoff herstellen ließe.

Und doch außer Reichweite

... wenn da nicht die fast unüberwindliche Distanz wäre: Das Saturnsystem kreist in 1,4 Milliarden Kilometern Entfernung zur Sonne. Die Nasa-Sonde Cassini benötigte sieben Jahre für diese Reise. Ohne leistungsfähigere Triebwerke sei an einen solchen Trip in das äußeren Sonnensystem noch nicht zu denken, meinen Wohlforth und Hendrix. Damit bleibe der Menschheit vorerst nur ein Ausweg, so die Autoren: Wir müssen unsere Probleme hier auf der Erde lösen.

--> Scientific American: Let's Colonize Titan

(tberg, 4.12.2016)