Für Österreich fällt der positive Effekt eines Kindergartenbesuchs – entgegen Trends in anderen Ländern – geringer aus als erwartet, zeigt nun eine Studie der Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger.

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Wien – Wer über mehrere Jahre einen qualitativ hochwertigen Kindergarten besucht, hat laut internationalen Studien später einen Bildungsvorsprung. Besonders stark profitieren Kinder aus bildungsfernen Familien und mit anderer Muttersprache. Für Österreich fällt der positive Effekt allerdings geringer aus als erwartet, zeigt eine Studie der Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger von der Uni Linz.

Die Wissenschafterin hat für ihre der APA vorliegende Erhebung, die sie am Donnerstagnachmittag bei einer Veranstaltung der Sozialpartner und der Caritas in Wien vorgestellt hat, die Ergebnisse der 2012 sowie 2013 durchgeführten Bildungsstandard-Testungen aus Mathematik der vierten Klasse Volksschule analysiert. Die Ergebnisse: Anders als aufgrund internationaler Studien wie dem umfassenden Effective Pre-school and Primary Education Project EPP(S)E aus England erwartet, hat in Österreich der mehrjährige Kindergartenbesuch bei Schülern aus zugewanderten Familien weniger Kompetenzgewinn zur Folge gehabt als bei nicht zugewanderten Familien.

Weniger gut als erwartet

Im Vergleich zu Kindern, die keinen Kindergarten besucht haben, haben Schüler mit einheimischen Eltern bei den Mathe-Bildungsstandards insgesamt 39 Punkte mehr erreicht, was dem Lernfortschritt eines Schuljahres entspricht; betrachtet man nur Kinder aus der Unterschicht, sind es mit 35 Punkten etwas weniger. Bei Kindern mit Migrationshintergrund waren es bereits lediglich 31 Punkte; bei jenen, die noch dazu aus sozioökonomisch schwachen Familien kommen, nur noch 28 Punkte. Anscheinend gelinge es österreichischen Kindergärten unter den gegebenen Bedingungen auch bei mehrjährigem Besuch weniger gut als erwartet, "etwaige Benachteiligungen" von Kindern aus bildungsfernen Familien auszugleichen, so das Fazit der Studie.

Wieso durch den Kindergartenbesuch in Österreich die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler schlechter ausgeglichen werden als etwa in England, lässt sich aus den vorliegenden Daten allerdings nicht sagen. "Ohne Informationen über die Qualität der Einrichtungen zur Verfügung zu haben, ist es schwierig, die Ursachenlage zu erkunden", heißt es in dem Papier. Neben Qualitätsunterschieden könnten auch "deutliche Unterschiede in der pädagogischen Ausrichtung" der Kindergärten dahinterstecken, vermutet Herzog-Punzenberger: So werde in Österreich kompensatorische Bildung (etwa der Wortschatzaufbau) aus Angst vor einer Verschulung tendenziell sogar abgelehnt.

Mehr Personal gefordert

Sie fordert detaillierte Analysen als Basis für "effektive und zielgruppenspezifische Maßnahmen". Es müsse gelingen, dass Kindergärten künftig einen Schwerpunkt auf die Förderung von sozioökonomisch benachteiligten Kindern und Sprachförderung – im Falle von Migrantenkindern zusätzlich auch in deren Muttersprache – legen; und zwar "unabhängig davon, wie sprachlich oder kulturell homogen eine Gruppe ist". Außerdem brauche es mehr höher ausgebildetes Personal pro Gruppe, eine Qualitätsoffensive für Kindergartenassistenten und mehr Pflicht zur Fortbildung des Leitungspersonals.

Für Gabriele Schmid, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik der Wiener Arbeiterkammer, ist die Studie eine Bestätigung ihrer Forderung nach "mehr Augenmerk auf die Entwicklung des Kindergartens zum Bildungsgarten". Auch ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr sei überfällig, betont sie in einer Aussendung.

Keine großen Unterschiede

Herzog-Punzenberger beschäftigt sich in ihrer Erhebung neben der Qualität der Frühkindpädagogik auch mit der Frage, ob Kinder mit Migrationshintergrund tatsächlich – wie in der öffentlichen Debatte etwa um ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr suggeriert – seltener in den Kindergarten geschickt werden als Einheimische. Herzog-Punzenberger plädiert hier für einen differenzierteren Blick: Die Analyse der Kindergartenbesuchsquoten nach Herkunftsland der Eltern würde zeigen, "dass es nicht so sehr um Vor- und Einstellungen, geschweige denn um die Kultur bestimmter Herkunftsgruppen geht, sondern darum, was durch die institutionellen Strukturen ermöglicht wird". Sprich: Ist es in einem Land beziehungsweise Bundesland möglich und üblich, seine Kinder mehrere Jahre in den Kindergarten zu schicken, tun das Zuwandererfamilien in der Regel ebenfalls.

Neben Herzog-Punzenberger stellte Kathy Sylva von der Oxford University eine Studie zur Situation in England vor: Dort profitieren laut AK-Aussendung Kinder von Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen besonders stark vom Kindergartenbesuch. (APA, 20.10.2016)