Stellen bereits in Aussicht, dass sie gegen das Streichen der Klassenschülerhöchstzahl kämpfen werden: die AHS-Gewerkschafter.

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Wien – Die AHS-Gewerkschafter kritisieren in einem Rundschreiben an alle Betriebsausschüsse und Landesleitungen das Schulautonomiepaket, auf das sich Rot und Schwarz am Dienstag geeinigt haben. Darin ist von "einer Fülle von Gesetzesvorschlägen", die in Aussicht gestellt werden, die Rede, "die massive negative Auswirkungen auf die Schulqualität und die Arbeitsplätze junger Kolleginnen und Kollegen haben werden".

Sobald konkrete Gesetzesentwürfe vorliegen, werden diese im Detail zu bewerten sein, stellen die AHS-Gewerkschafter in Aussicht – und fest steht für sie bereits: "Eine ersatzlose Streichung der Klassenschülerhöchstzahl und der Eröffnungs- und Teilungszahlen ist völlig inakzeptabel. Diese Maßnahme führt angesichts jetzt schon zu knapper Ressourcen zwingend zu größeren Klassen und Lerngruppen und damit zu massiven Qualitätseinbußen."

Größere Klassen klingen wie "Hohn"

Autonomie werde hier "zum Synonym für Selbstverwaltung des Mangels". Es klinge "wie Hohn, dass eine verstärkte 'Individualisierung' des Unterrichts" gefordert werde, die "bei noch größeren Klassen völlig unmöglich wird".

Daher will die AHS-Gewerkschaft mit anderen Lehrergewerkschaften in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst "dafür kämpfen, die Qualität der österreichischen Schule zu sichern und die Arbeitsplätze Tausender junger Kolleginnen und Kollegen zu erhalten". Unterzeichnet ist das Schreiben vom Vorsitzenden Herbert Weiß und seinen Stellvertretern.

Auch Rainer Gögele, Obmann von Pro Gymnasium Österreich, mahnt: Das Autonomiepaket "höhlt die Schulpartnerschaft aus". Wie so oft bei Reformen im Bildungsbereich seien auch diesmal die Betroffen nicht eingebunden gewesen, sondern hätten aus den Medien erfahren, "was über ihre Köpfe hinweg beschlossen werden soll". Gögeles Befund nach Durchsicht der Ministerratsvorlage: "Es wird klar, dass wir es hier mit einem demokratiepolitischen Anschlag der Sonderklasse und einem gewaltigen Sparpaket zu tun haben."

Eltern zu Plänen geteilter Ansicht

Elternvertreter stünden den Plänen positiv gegenüber, berichtete das Ö1-"Morgenjournal" Mittwochfrüh. Das gehe in die richtige Richtung, sagte Andreas Ehlers, Vorsitzender des Wiener Landesverbands der Elternvereine an Pflichtschulen. Klassenübergreifender Unterricht sei gut – auch mit mehr als 25 Schülern.

Hintergrund: Unterricht soll künftig mit mehr als 25 Schülern pro Klasse möglich sein – etwa in bestimmten Fächern. Ebenfalls anvisiert: Bis zu acht Pflichtschulen soll ein Direktor künftig leiten und sich Lehrer selbst aussuchen können.

Der aus Eltern-, Lehrer- und Schülervertretern bestehende Bundesschulgemeinschaftsausschuss spricht jedoch in einer Aussendung von einer völlig inakzeptablen Entmündigung und kündigt Widerstand an. Dass im Entwurf von einer beabsichtigten Stärkung der Schulpartnerschaft die Rede ist, sei eine Verhöhnung. Schüler, Eltern und Lehrer sollten offensichtlich aus dem Entscheidungsprozess herausgeboxt werden. Immerhin hätten die Schulpartner bisher etwa bei der Frage der Klassen- und Gruppengröße mitbestimmen dürfen, künftig sollen sie nur noch den Schulleiter "beraten".

"Damit mache ich den Schulgemeinschaftsausschuss zu einem Debattierklub, der keine Bedeutung mehr hat", kritisiert Bundeselternverband-Sprecher Gernot Schreyer gegenüber der APA. Außerdem herrsche schon jetzt Budgetnot an den Schulen. Wenn Schulleiter aus einer solchen Mangelsituation heraus größere Gruppen bilden oder zusätzliche Angebote kürzen müssen, dann sollten wenigstens die Betroffenen eingebunden und die Entscheidung nicht einer einzelnen Person überlassen werden, fordert Schreyer.

Direktoren abwartend

Für Wilhelm Zillner, Sprecher der AHS-Direktoren, ist vorerst noch nicht absehbar, ob die Reform das von Schulleitern schon lange geforderte Mehr an Freiheit bedeuten wird oder nur mehr Mängelverwaltung. Entscheidend seien die konkreten Gesetzesvorschläge. Natürlich würden die Schulleiter sich mehr Autonomie wünschen. "Wir sind mittlerweile im täglichen Leben bei einem Grad an Gängelung angelangt, der nicht mehr erträglich ist." Viel wichtiger als "große Brocken" wie die Auswahl der Lehrkräfte wäre für Zillner ein Wegfall absonderlicher Regelungen.

Als Beispiele nennt er Vorgaben, wo die Schule ihre Bleistifte kaufen muss, und dass jede Rechnung "von 17 Stellen kontrolliert wird". "Das ist die Autonomie, die ich bräuchte." Offen ist für ihn auch noch, ob etwa die angekündigte Flexibilisierung der Unterrichtszeit bestehende Probleme aus dem echten Leben lösen wird. So sei es derzeit auch einer Schule an der Peripherie nicht gestattet, die letzte Stunde um fünf Minuten zu verkürzen, damit die Schüler mit den öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich heimfahren können. "Da würde ich mir ein wenig Autonomie wünschen. Danach können wir über die großen Brocken reden."

Experten zuversichtlich

Christiane Spiel, Professorin für Bildungspsychologie an der Universität Wien, sagt: "Es geht in die richtige Richtung." Wichtig sei nach, dass die Vorhaben nun flächendeckend umgesetzt und dann auch evaluiert werden. Die Bildungsexpertin Christa Koenne hält die Vorschläge ebenfalls für grundsätzlich brauchbar. Auf lange Sicht werde die Bildung von Schulclustern allerdings dazu führen, dass Schulen zusammengelegt und kleine Schulstandorte aufgelöst werden.

Zustimmung aus den Ländern

Vorerst einhellige Zustimmung gab es für die am Dienstag vorgestellten Eckpunkte aus den Bundesländern. Allerdings werde es dabei auch auf die detaillierten Gesetzestexte ankommen, lautete der Tenor bei einem APA-Rundruf. (nw, mika, APA, 19.10.2016)