Die Rampe für den Rollstuhl als Symbol der österreichischen Behindertenpolitik: Es geht bergauf. Zu langsam, finden die Länder, daher soll jetzt der Bund kräftig mitfinanzieren.

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Salzburg – Im Oktober 2008 trat in Österreich die "UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" in Kraft. Die Behindertenrechtskonvention basiert auf den Prinzipien Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Teilhabe in allen Lebensbereichen. So weit die Ausgangslage. Bei der Umsetzung hapert es freilich gewaltig. Und die regionalen Unterschiede sind enorm. Denn die Behindertenpolitik ist in Österreich Ländersache.

Der in Salzburg ressortzuständige Landesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) nennt ein Beispiel: In Tirol oder Vorarlberg sei man bei der persönlichen Assistenz – für viele beeinträchtigte Menschen eine Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben – schon relativ weit. "Wir in Salzburg haben nach Jahren ziemlich konservativer Behindertenpolitik gewaltigen Aufholbedarf", sagt Soziallandesrat Schellhorn.

Er hat gemeinsam mit seinen oberösterreichischen Ressortkolleginnen bald nach seinem Amtsantritt 2013 eine Initiative für einen "Behindertenfonds analog zum Pflegefonds" gestartet. Zumindest bei allen anderen Soziallandesräten hat er Zustimmung geerntet. Die Landessozialreferentenkonferenz hat insgesamt schon drei einstimmige Beschlüsse zur Einrichtung eines derartigen Inklusionsfonds gefasst – zuletzt im Juni dieses Jahres.

Dieser Inklusionsfonds soll "die Umsetzung der UN-Konvention finanziell ermöglichen", sagt Schellhorn. Die Länder wollen ihn mit 145 Millionen Euro dotieren. Analog zum Pflegefonds sollen sich die Länder und Gemeinden zu einem Drittel und der Bund zu zwei Dritteln beteiligen.

Standards anheben

Für Schellhorn soll der Inklusionsfonds natürlich in erster Linie der Finanzierung dienen. Denn der Bund schreibe beispielsweise im Behindertengleichstellungsgesetz umfassende Barrierefreiheit vor, stellte und stelle aber keine Mittel dafür zur Verfügung. Dies sei auch explizit bei der Staatenprüfung durch die Vereinten Nationen bemängelt worden.

Aber mehr noch: Schellhorn kennt Beispiele von Sozialeinrichtungen, denen aufgrund der nicht lückenlos eingehaltenen Barrierefreiheit die Bundesförderung gestrichen worden sei. "Das müssen dann wir, die Länder, auffangen", sagt Schellhorn im STANDARD-Gespräch.

Aber es geht nicht nur um die Eurosumme allein. Der Fonds sei auch ein Mittel, um die Standards in der österreichischen Behindertenbetreuung anzugleichen. Das Geld solle nicht einfach überwiesen werden, sondern die Auszahlung müsse an Qualitätskriterien gebunden werden. "Man zwingt so die Länder zu höheren Mindeststandards", sagt Schellhorn.

Höhere Lebenserwartung

Die Fondskonstruktion würde vor allem bei der Umsetzung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit helfen, sagen die Soziallandesräte. Man will den Ausbau von teilbetreuten Wohnungen fördern oder mehr mobile Betreuung in den eigenen vier Wänden ermöglichen.

Dazu kommt, dass auch bei Menschen mit Beeinträchtigungen Lebenserwartung und Durchschnittsalter steigen. In Salzburg beispielsweise ist schon fast ein Drittel der im Rahmen des Behindertengesetzes Unterstützten über 50 Jahre alt. Ähnliche statistische Daten gibt es auch aus anderen Bundesländern.

Dass Menschen mit Behinderung älter werden, liege in erster Linie an der besseren medizinischen Versorgung, erläutert die zuständige Referentin im Büro von Landesrat Schellhorn. Eine weitere Ursache sei auch, dass jetzt die erste Generation behinderter Menschen alt geworden sei, die nach 1945 geboren worden und nicht mehr der von den Nazis beschönigend Euthanasie genannten Mordmaschinerie T4 zum Opfer gefallen ist.

Finanzausgleich

Der Vorschlag eines Inklusionsfonds ist aktuell auch Thema bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen. Mit vorerst aber wenig Aussicht auf Erfolg. Vom Finanzministerium kam nach dem jüngsten Beschluss der Landessozialreferenten ein kurz gehaltenes Njet. Mit dem Fonds würden "ausschließlich Leistungen der Länder finanziert", argumentiert der Finanzminister.

Auf der anderen Seite der Regierung unterstützt man die Idee. Der Fonds sei notwendig, um die Kostensteigerungen in dem Bereich abdecken zu können, sagt ein Sprecher von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) auf Anfrage des STANDARD: Die 145 Millionen Euro wären "nicht überzogen". Ursprünglich hatten die Länder ja über 230 Millionen für den Inklusionsfonds projektiert gehabt. Auch was die Erfolgsaussichten bei den Finanzausgleichsverhandlungen angeht, ist man im Sozialministerium durchaus zuversichtlich. Immerhin würden nach drei von den Soziallandesräten einstimmig gefällten Beschlüssen auch starke ÖVP-geführte Länder mit dem ÖVP-geführten Finanzministerium verhandeln. (Thomas Neuhold, 21.9.2016)