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Der ehemalige jugoslawische Geheimdienstler Josip Perković am Münchner Oberlandesgericht.

Foto: REUTERS/Michaela Rehle

Am Mittwoch hat das Münchner Oberlandesgericht die ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstler Josip Perković und Zdravko Mustac wegen der Ermordung des Exilkroaten Stjepan Đureković in Deutschland im Jahr 1983 zu lebenslanger Haft verurteilt. Richter Manfred Dauster sah es als erwiesen an, dass Mustac Ende 1982 oder zu Beginn 1983 Perković dazu aufgefordert hatte, mit den Vorbereitungen zur Ermordung von Đureković zu beginnen.

Perković war beim Jugoslawischen Staatssicherheitsdienst für die Emigranten, die sich politisch engagierten, zuständig. Mustac war damals Chef des jugoslawischen Geheimdienstes in Kroatien. Bei dem Mord sei es darum gegangen, Đureković zum Schweigen zu bringen, weil er zu viel über mögliche kriminelle Aktivitäten im Erdölunternehmen Ina wusste, so das Gericht. Đureković hatte in der Ina gearbeitet, bevor er nach Deutschland geflohen war.

Heftige Reaktionen in Kroatien

Er war aber auch – wie viele Auslandskroaten – politisch aktiv gewesen und hatte antijugoslawisches Propagandamaterial hergestellt. Die beiden Exgeheimdienstler kündigten an, in Berufung zu gehen. Das Urteil löste in Kroatien heftige Reaktionen aus und wurde – je nach politischer Zugehörigkeit – anders interpretiert. Deutschlands Auslieferungsantrag für Perković hatte im Jahr 2013 kurz vor dem EU-Beitritt Kroatiens zu einer schweren innenpolitischen Krise geführt. Der Chef der Sozialdemokraten (SDP), Zoran Milanović, zeigte sich am Mittwoch schockiert.

Er könne nicht glauben, dass die nun verurteilten Geheimdienstler tatsächlich zu den engsten Mitarbeitern der Gründer der konservativen HDZ gehört hätten, zeigte er sich erstaunt über die Verbrechen von Mustac und Perković. Milanovićs Erstaunen ist allerdings gespielt. Denn die Rolle von Mustac und Perković war hinlänglich bekannt. Milanović interpretiert die Causa Perković nun wohl im Lichte der bevorstehenden Parlamentswahlen, die am 11. September stattfinden werden. 2013 war seine Haltung noch anders.

Debatte über Auslieferung

Als damaliger Premier hatte er mit der sogenannten Lex Perković kurz vor dem EU-Beitritt die Auslieferung des hohen Geheimdienstlers nach Deutschland noch zu verhindern versucht. Er beteuerte zwar, dass ihm gar nicht an Perković gelegen sei, sondern daran, den Fall im eigenen Land zu behandeln.

Doch im Juni 2013, drei Tage vor dem EU-Beitritt, verabschiedete das Parlament ein Sondergesetz, das eine Auslieferung von Personen wegen vor dem 7. August 2002 begangener Verbrechen untersagte. Die damalige EU-Justizkommissarin Viviane Reding drohte Kroatien deshalb mit Konsequenzen, falls es den europäischen Haftbefehl unterlaufen würde. Schließlich musste Milanović einlenken. Perković wurde im Jänner 2014 ausgeliefert.

Die Neo-Partei Most, die Teil der jüngsten Regierung war, begrüßte das Urteil gegen Mustac und Perković. Alle Verbrechen, die während der totalitären Regime in Kroatien begangen worden seien, müssten bestraft werden: jene im Königreich Jugoslawien zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, im faschistischen NDH-Staat und im kommunistischen Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Prozess der Verarbeitung der Vergangenheit sei langsam und schwierig, so Most, aber der einzige, der Frieden und Versöhnung bringe. Die junge Generation werde die Kraft finden, die historischen Fehler zu überwinden, fordert die Reformpartei eine aktivere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Politischer Missbrauch der Geschichte

Tatsächlich zeigen viele interne Streitereien in Kroatien, aber auch Konflikte mit den Nachbarstaaten, wie sehr die Geschichte nach wie vor politisch missbraucht wird. Während die eine Seite die Politik und ihre Akteure in einem Zeitabschnitt Kroatiens heroisiert und die Verbrechen verharmlost, nutzt die andere politische Seite eine andere historische Epoche zum selben Zweck. Ein nüchterner, sachlicher Blick ist kaum zu sehen, weil mit dem Thema noch immer relativ billig Wählerstimmen geholt werden können und weil viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien noch nicht einmal Fakten anerkennen.

Die konservative HDZ, die insbesondere in den 1990ern enge Kontakte zu Perković pflegte, reagierte verhalten auf das Urteil. Vizeparteichef Milijan Brkić meinte, dass es zeige, dass keine Verbrechen und keine Opfer vergessen würden. "Das Urteil ist eine symbolische Anerkennung jener 'dunklen' Zeit, in der Menschen wegen ihrer Liebe zur Heimat getötet wurden", spielte er auf die 1970er- und 1980er-Jahre an, als Kroatien Teil Jugoslawiens war.

Seine Reaktion zeigt, dass die HDZ das Urteil in dem Sinne interpretiert, dass Đureković und andere Exilkroaten, die Opfer des jugoslawischen Regimes waren, ideologisch wohl eher den Konservativen zuzuordnen waren. Insbesondere in Deutschland lebten nach dem "Kroatischen Frühling" Anfang der 1970er viele Exilkroaten, die vom Ausland aus den Kommunismus bekämpfen wollten und einen unabhängigen Staat Kroatien anstrebten.

Rolle ab 1991

Perković, der ehemalige Kommunist, spielte aber auch später, im seit 1991 unabhängigen Kroatien, eine wichtige Rolle. Präsident Franjo Tuđman brauchte damals Verbündete aus dem ehemaligen kommunistischen System, vor allem aus dem Sicherheitsapparat, und griff auf den mächtigen Geheimdienstler Perković zurück, der fortan als Verbindungsmann zwischen ihm und dem alten Apparat fungierte. Perković hatte zuvor von 1979 bis 1986 in Kroatien jene Abteilung II geleitet, die für die "feindliche Emigration" zuständig war. Unter Tuđman machte er in den 1990ern noch einmal steile Karriere. Er hielt sich bis zuletzt für unantastbar – vielleicht auch, weil er beste Kontakte zu den Sozialdemokraten pflegte.

Die kroatischen Sozialdemokraten sind teils Kinder aus Familien der ehemaligen kommunistischen Nomenklatura. Die Verflechtungen zur einen wie zur anderen Seite sind also eng. Perkovićs Sohn war etwa ein Berater des sozialdemokratischen Expräsidenten Ivo Josipović. Die Morde des jugoslawischen Geheimdiensts Udba gehören zu einem der dunkelsten Kapitel Jugoslawiens.

Denn sie stellen das heute noch von linker Seite unterstützte Narrativ vom relativ offenen Staat infrage, der als weniger repressiv galt als andere Staaten in Osteuropa. Tatsächlich gab es in Jugoslawien aber ein enges und dichtes Netz des Geheimdienstes Udba, in dem zehntausende Staatsbürger mitarbeiteten. Die Udba arbeitete mit Drohungen und Erpressungen.

Keine Auseinandersetzung mit Geschichte

Laut dem slowenischen Forscher Roman Leljak war jeder 15. Bürger Jugoslawiens im Dienste der Udba, in Slowenien waren es 54.000 Personen, in Kroatien 75.000. Die Udba hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Organisationen jugoslawischer Bürger im Ausland zu infiltrieren. Insbesondere die nationalistisch gesinnte kroatische Diaspora, die zum Teil aus Ustascha-Kreisen hervorging, wurde zum Ziel. Zwischen 1970 und 1989 sollen allein in Deutschland 22 Kroaten von der Udba ermordet worden sein.

Weil das junge Kroatien sich vor allem darüber definiert, in einem "vaterländischen Krieg" (1991–1995) seine Freiheit errungen zu haben und diesen Krieg mystifizierte, gab es keine tiefere Auseinandersetzung mit dem Erbe des kommunistischen Systems, auch nicht dem Nationalismus der 1990er-Jahre – und vor allem nicht mit den Überschneidungen beider Systeme und allen, die von diesen profitierten.

Richter Dauster meinte am Mittwoch, dass Slowenien gut mit den Gerichten kooperiere, in Kroatien seien viele Dokumente vernichtet worden, die Zusammenarbeit mit Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina kritisierte er. (Adelheid Wölfl, 3.8.2016)