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Eine Frau geht am Strand von Luquillo, Puerto Rico, Richtung Meer, während sich im August 2015 der Tropensturm Erika im Hintergrund nähert. Aktuell wird die Insel von finanziellem Ungemach bedroht.

Foto: Ricardo Arduengo

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Gouverneur Alejandro Javier García Padilla sieht sein Land von einer "humanitären Krise" bedroht: Das Zika-Virus und die Staatspleite machen der Insel gleichzeitig zu schaffen.

Foto: ALVIN BAEZ

San Juan – Alejandro Javier García Padilla ist derzeit wahrlich nicht zu beneiden. Als Gouverneur der Insel Puerto Rico ist er de facto Regierungschef des US-Außengebiets, wo er sich mit zwei bedrohlichen Krisen herumschlagen muss. Nicht nur, dass in Puerto Rico das Zika-Virus wütet – man spricht von 6.100 Erkrankungen seit November, Ende April wurde der erste Todesfall auf US-Territorium vermeldet –, steht der klammen Insel gleichzeitig auch finanziell das Wasser bis zum Hals.

Zu Wochenbeginn konnte das Inselparadies eine Rückzahlung von 422 Millionen US-Dollar nicht leisten. Puerto Rico könne seine Gläubiger nicht mehr bedienen, erklärte Padilla, da es auch Ausgaben für Gehälter, Gesundheit und Bildung zu leisten habe. Bei Einsparungen in diesen Bereichen drohe eine "humanitäre Krise". Insgesamt steht die Regierung in San Juan mit 70 Milliarden Dollar in der Kreide, die Geldgeber kommen hauptsächlich aus den USA, darunter befinden sich auch viele Hedgefonds.

US-Kongress gefordert

Padilla hat sich nun an den US-Kongress gewandt, damit dieser eine geregelte Insolvenz ermöglicht. Denn Puerto Rico gehört zwar zum Territorium der Vereinigten Staaten, ist aber kein eigener Bundesstaat, sondern verfügt als selbstverwaltetes Außengebiet über einen Sonderstatus. Deshalb kann sich die Insel nicht nach US-Insolvenzrecht für bankrott erklären, wie es etwa die Motor-City Detroit im Jahr 2013 getan hat. Schafft der US-Kongress nun nicht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Insolvenz des Außengebiets, droht gewissermaßen eine Staatspleite ohne Staat.

Man müsste sich mit den Gläubigern auf eine Umschuldung, also einen Schuldenschnitt und längere Rückzahlungsfristen einigen. Insbesondere bei vielen Hedgefonds unter den Geldgebern droht Padilla jedoch auf Granit zu beißen: Sie bestehen auf vollständige Rückzahlung, langwierige Rechtsstreitigkeiten würden die Insel auf Jahre im Würgegriff halten. Andererseits droht auch im US-Kongress, der noch bis 9. Mai Sitzungspause hat, eine Hängepartie. Hedgefonds-Lobbyisten machen gegen den Gesetzesentwurf mobil, der Puerto Rico ein geregeltes Insolvenzverfahren ermöglichen soll – schließlich wäre auch dies mit einem Schuldenschnitt verbunden.

Steuerzuckerl für Anleihen

Schuldverschreibungen der 3,5 Millionen Einwohner zählenden Insel waren nicht nur für Hedgefonds besonders attraktiv, da sie von US-Steuern befreit wurden, um der Insel den Zugang zu den Festland-Kreditmärkten zu erleichtern. Nachdem andere Steuervergünstigungen für Unternehmen abgeschafft wurden, wanderten etliche ab, andere bauten Arbeitsplätze ab, womit Puerto Rico, was ironischerweise übersetzt "reicher Hafen" bedeutet, auf das aktuelle finanzielle Desaster zusteuerte.

"Der Kongress muss handeln", legte der seit 2013 im Amt befindliche Gouverneur seinen Standpunkt klar. "Unser größter Fein in Puerto Rico und in den USA ist das Politikgeschacher", sagte er hinsichtlich der drohenden Blockade im Kongress. Padilla wurde als Kandidat der Partido Popular Democratico, die sich für die Aufrechterhaltung des Status als US-Außengebiet und eine stärkere Selbstverwaltung einsetzt, gewählt.

Genau dieses Zwitterdasein Puerto Ricos, das 1898 als spanische Kolonie von den USA besetzt und für sich beansprucht wurde, droht Gouverneur Padilla in der überschäumenden Schuldenkrise auf den Kopf zu fallen. Auswege wären entweder ein gänzlicher Austritt aus dem Staatsgebilde der USA oder der Status eines regulären US-Bundesstaats. Beides wollten die Bürger der Insel – zumindest bisher – freilich nicht. (Alexander Hahn, 5.5.2016)