Man kann nicht so viel Kreide fressen, wie man kotzen möchte. Oder wie ging doch gleich das Zitat? Einer hatte am Sonntag reichlich Kreide verspeist, einen dunklen Kanzleranzug angezogen und auf seriös getan: Heinz-Christian Strache wurde sogar dem saturierten Salongenossen Josef Cap zu "professoral", als man am Sonntagabend in Im Zentrum Seite an Seite den politischen Tabubruch Rot-Blau verharmloste.

Eine Rolle, die für beide nicht leicht war: War man noch politischer Gegner? Oder schweißen gemeinsame Kritiker zusammen? Warum ausgerechnet Cap bei Ingrid Thurnher den Verrat alter roter Prinzipien schönreden musste, blieb unklar. Weil er einst ein junger Linker war? Unsinn, daran kann er sich selbst nicht mehr erinnern. Aber wer sonst könnte so kunstvoll Fragen der Moderatorin ausweichen – dorthin, wo zwischen düsteren Bevölkerungsängsten, Jobs der Enkerln und kruden Interpretationen von Parteitagsbeschlüssen das Publikum fast einschlief. Cap sprach viel. Aber nicht genug. Er warf Thurnher vor, sie möge ihn nicht. Doch, doch, beruhigte diese.

Da waren aber zum Glück noch Cathrin Kahlweit von der "Süddeutschen" und Politologe Anton Pelinka. Pelinka stellte klar, dass Abgrenzen und Ausgrenzen nicht identisch seien, und wies Strache und Cap darauf hin, dass sie die Opferrolle gaben. Kahlweit benannte, worum es der SPÖ gehe – um taktische Machtdebatten – und analysierte die FPÖ: "Ihre Partei, Herr Strache, es tut mir leid das sagen zu müssen, arbeitet mit manipulativer Rhetorik mit codierter Sprache". Die blaue Botschaft sei klar: "Fast jeder Ausländer ist ein Straftäter." Da neigte Strache leise den Kopf. Er würgte an seiner Kreide. (Colette M. Schmidt, 9.6.2015)