Selbstbehalte für Arztbesuche, ohne dabei die "Grundsäule der Solidarität" zu verletzen – dafür plädiert ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger.

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Wien – Der Entwurf zum neuen ÖVP-Parteiprogramm sieht die Einführung weiterer Selbstbehalte für medizinische Leistungen vor. Dies soll einhergehen mit einer Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge. "Wir halten es für sozial, auf die eigene Gesundheit zu achten, um der Solidargemeinschaft der Versicherten nicht unnötige Kosten aufzubürden", heißt es im Evolutionskonzept.

Bestrafung statt Belohnung

"Urvater" der neuen ÖVP-Idee ist laut ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger das Modell der gewerblichen Sozialversicherung SVA. Wer sich dabei verpflichtet, fünf Gesundheitsziele zu erlangen beziehungsweise zu erhalten, muss für Arztbesuche nur noch zehn statt zwanzig Prozent Selbstbehalt bezahlen. Die Gesundheitsziele betreffen die Bereiche Bewegung, Blutdruck, Gewicht, Alkohol- und Tabakkonsum. Die flächendeckende Einführung dieses Modells für alle Krankenkassen kann sich Rasinger vorstellen, wiewohl er den Selbstbehalt nicht als Bestrafung, sondern als Belohnung für gesundes Verhalten verstanden wissen will.

"Mit Koalitionspartner diskutieren"

Anreize zur erhöhten Inanspruchnahme von Vorsorge und Gesundheitsförderung zu schaffen ist auch Bestandteil des aktuellen Regierungsübereinkommens zwischen SPÖ und ÖVP. Die Einhebung von Selbstbehalten ist darin allerdings nicht vorgesehen. "Die Einführung des Selbstbehalts, angewandt auf alle Kassen, müsste man mit dem Koalitionspartner diskutieren", sagt Rasinger zum STANDARD.

Absage von Gesundheitsministerin

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) erteilt Rasingers Ansinnen auf Anfrage des STANDARD umgehend eine Absage. Sie wolle in nächster Zeit mit dem Koalitionspartner über die nächsten Schritte zur Gesundheitsreform, vor allem über die Einrichtung der Primärversorgung sprechen. Neue Belastungen für die Patienten stünden nicht auf ihrer Agenda.

SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger bezeichnet den ÖVP-Vorstoß als "fiese Art". Bei der Steuerreform habe der Koalitionspartner die Millionäre geschützt, nun wolle man sich "über Umwege" Geld von den Arbeitnehmern holen.

Hauptverbandschef zeigt Verständnis

Als Erfinder des SVA-Modells gilt der heutige Hauptverbandschef Peter McDonald, der früher SVA-Chef war. Bisher hat er sich gegen eine Ausweitung des Anreizsystems ausgesprochen. Für seine Parteifreunde hegt er durchaus Verständnis. Er kann sich "flexiblere Arten der Beitragsleistung vorstellen", das soll aber "nicht nur einnahmenseitig, sondern ausgabenorientiert" geschehen, heißt es in einem Statement für den STANDARD. Ihm ist es wichtig, die "Selbstverantwortung und die Gesundheitskompetenz der Menschen zu stärken".

Solidarität für Einkommensschwache

Für Einkommensschwache müsse es zudem weiterhin Ausnahmen geben, "sonst verletzt man die Grundsäule der Solidarität", sagt Rasinger. Nach dem Beispiel der Rezeptgebührenobergrenze – diese liegt bei zwei Prozent des Nettoeinkommens pro Jahr, so nicht ohnehin eine Befreiung für die Rezeptgebühren vorliegt – soll es nach Rasingers Vorstellungen auch Gebührenobergrenzen für ärztliche Selbstbehalte geben. Bei der SVA liegt die Obergrenze seit 2013 bei fünf Prozent des Jahreseinkommens. Dieses wird an der Beitragsgrundlage bemessen, also den Einkünften abzüglich Betriebsausgaben plus Versicherungsbeiträge.

Im Gespräch mit dem STANDARD verweist Rasinger außerdem darauf, dass Selbstbehalte bereits jetzt Teil des Gesundheitssystems sind. Neben der bereits erwähnten Rezeptgebühr werden im Gesundheitsbereich etwa das Service-Entgelt für die E-Card, Spitalskostenbeiträge und Selbstbehalte bei diversen Heilbehelfen eingehoben. (Katrin Burgstaller, Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 30.3.2015)