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Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz bleibt dabei: Er will einen Sozialdienst für "integrationsunwillige" Schüler.

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Wien – Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) legt nach: Er fordert Sanktionen, wenn Schüler sich nicht integrieren wollen. Geldstrafen von bis zu 1000 Euro kann er sich vorstellen, wenn Eltern Vorladungen aus der Schule nicht nachkommen. Das berichtet das Ö1-"Morgenjournal". Außerdem sollen Schüler auch Sozialdienste in der Schule übernehmen müssen – was das genau sein kann, weiß Kurz aber noch nicht.

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sehen derzeit keinen Bedarf nach schärferen strafrechtlichen Bestimmungen in Sachen Integrationsverweigerung. SPÖ-Landeshauptleute hatten neue Tatbestände für "Integrationsunwillige" gefordert. Ob es Geldstrafen für Eltern geben soll, die die Mitwirkung in der Schule verweigern, soll nun mit den Schulpartnern besprochen werden. Eine Einigung kündigte Mitterlehner am Dienstag spätestens bis zur Regierungsklausur am 23. und 24. März an.

Mitterlehner unterstützt Kurz

Mitterlehner unterstützte den Vosrchlag von Kurz und nannte als Beispiel einen Vater, der eine Einladung zum Elternsprechtag mehrmals nicht befolge, mit der Begründung, die Lehrerin sei eine Frau. Auf Nachfrage betonte der Vizekanzler aber, dass es derartige Sanktionen auch in allen anderen Fällen geben sollte, wo Eltern eine Einladung zum Sprechtag mehrmals ausschlagen.

Faymann sagte, dass nun mit den Vertretern von Eltern, Lehrern und Schülern besprochen werden soll, ob in diesen Fällen Strafen notwendig sind. "Ich sehe den Vorschlag, sich in der Schule einzubringen, breiter als die Verwaltungsstrafendiskussion."

Heinisch-Hosek verweist auf Arbeitsgruppe

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will die integrationsrelevanten Themen für den Schulbereich wie etwa Ethikunterricht, den Ausbau der Politischen Bildung bzw. der Schulsozialarbeit und -psychologie in die Arbeitsgruppe zur Bildungsreform einbringen. "Das ist der richtige Rahmen, um das zu besprechen", hieß es aus dem Bildungsministerium.

Schon jetzt werden Eltern im Schulunterrichtsgesetz dazu verpflichtet, "in allen Fragen der Erziehung und des Unterrichts" eine "möglichst enge Zusammenarbeit" mit den Lehrern zu pflegen. Zudem haben die Erziehungsberechtigten das Recht und die Pflicht, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule zu unterstützen. Konsequenzen, wenn sie diese Regeln nicht einhalten, gebe es aber nicht, wie Paul Kimberger, Gewerkschafter der Pflichtschullehrer, im Gespräch mit derStandard.at ausführt.

Strafen als letzte Konsequenz

"Ich bin der Meinung, dass jene Eltern, die sich nicht am Bildungsweg ihrer Kinder beteiligen wollen, dazu gezwungen werden sollten", sagt Kimberger. In letzter Konsequenz wären auch Verwaltungsstrafen eine Möglichkeit, um dies durchzusetzen. Der Gewerkschafter macht aber darauf aufmerksam, dass auch Eltern von Kindern ohne Migrationshintergrund die Zusammenarbeit mit der Schule verweigern.

Wichtig für Lehrer wäre laut Kimberger aber vor allem mehr Unterstützungspersonal, also Beratungslehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter. Hier pflichtet im Eckehard Quin, AHS-Lehrergewerkschafter, bei. Für ihn sind Strafen für Eltern eine sekundäre Frage, es gehe schlicht darum, den Kontakt mit den Eltern herstellen zu können. "In anderen Ländern gibt es hier Sozialarbeiter, an die sich die Lehrer wenden können." Im jetzigen System könne man zwar die Jugendwohlfahrt einschalten, hier gebe es aber eine hohe Hemmschwelle. "Viel niederschwelliger wäre es, wenn ein Sozialarbeiter einfach bei der Familie vorbeischaut und nachfragt, ob die Briefe des Lehrers angekommen sind."

Gewerkschafter Kimberger schlägt zudem vor, mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einzusetzen, die Sprache aus den Herkunftsländern der Eltern und Schüler sprechen und Kontakt zu den Familien herstellen können.

Ein vordringlicheres Problem als die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Eltern sieht Kimberger allerdings in der islamistischen Radikalisierung von Schülern. "Lehrer brauchen hier mehr Know-how und Unterstützung", sagt er. Die angekündigten Maßnahmen von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) – sie bietet 300 kostenlose Workshops für Schulen an – seien gut, aber noch nicht ausreichend. Auch für Quin wäre es wichtig, Lehrern das Werkzeug zu geben, mit dem sie die Diagnose Radikalisierung stellen können.

Mikl-Leitner gegen strafrechtliche Sanktionen

Unterstützung bekommt Kurz auch von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie ist für Geldstrafen im Falle kooperationsunwilliger Eltern. Von strafrechtlichen Sanktionen für "Integrationsverweigerer" hält sie aber wie Mitterlehner und Faymann nichts. "Alles was ins Strafrechtliche geht, halte ich für maßlos überzogen", so Mikl-Leitner vor dem Ministerrat.

Auch Sicht von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wäre es wichtiger, die "aufsuchende Jugendarbeit" zu intensivieren – und zwar etwa bei Jugendlichen ohne Jobperspektive. Über allfällige Verwaltungsstrafen gegen Eltern, die die Zusammenarbeit mit der Schule hartnäckig verweigern, könnte man aus Sicht des SP-Ministers "ganz zum Schluss" ebenfalls diskutieren. In der Praxis handle es sich allerdings häufig um ohnehin bereits volljährige Schüler, gab Hundstorfer zu bedenken.

FPÖ für Strafen

Kritik an der Integrationsdebatte kommt aus der Opposition. Die Debatte "zäumt das Pferd von hinten auf, weil man nur auf Folgen unorganisierter Zuwanderung blickt und sich nicht auf diese Zuwanderung selbst konzentriert", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Strafen bei "Integrationsverweigerung", wozu auch die "nachhaltige Unkenntnis der deutschen Sprache" gehöre, sind für ihn der richtige Ansatz "und sicher effektiver als die Tafelwisch-Ideen eines Herrn Kurz".

Grüne: Mehr Sozialarbeiter

Die grüne Abgeordnete Alev Korun will auch die fehlende Kooperation nicht zugewanderter Eltern thematisiert sehen. "Strafminister Kurz geht immer nach demselben Muster vor: Er thematisiert etwas ohne Zahlen auf den Tisch zu legen und macht es gleichzeitig zum 'Ausländerproblem'", kritisierte sie. "Das ist keine Integrationspolitik, das ist ständiges Anpatzen einer ganzen Bevölkerungsgruppe mit der immerwährenden Forderung der Bestrafung." Wollte sich Kurz für den Erfolg mehrsprachiger Kinder wirklich einsetzen, solle dieser mehr Sozialarbeiter in Schulen durchsetzen und auf Schließung von Sonderschulen drängen, in die viele solche Schüler "abgeschoben" werden.

Neos gegen Bloßstellen

Der Vorschlag von Kurz, "integrationsunwillige" Strafdienste für die Allgemeinheit leisten zu lassen, trifft für Neos-Chef Matthias Strolz das Ziel der Sache nicht einmal ansatzweise. Ein öffentliches Bloßstellen unter Mitschülern führe in der Regel zu einer Beschämung. "Und genau solche Erfahrungen sind der Nährboden, auf dem sich Wut, Hass und Entfremdung entwickeln", so Strolz, der gleichzeitig einen verpflichtenden Ethik- und Religionsunterricht für alle Schüler forderte. (koli/APA, derStandard.at, 27.1.2015)