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Amazon-Lager in der deutschen Ortschaft Brieselang. Die Luxemburger Amazon-Gesellschaft macht mehr als 13 Milliarden Euro Umsatz.

Foto: Reuters/Hanschke
Grafik: STANDARD

Wien - Einfache Bürger würden über ein solches Maß an Behördeneffizienz jubilieren. Der Onlinehändler Amazon hat im Oktober 2003 seinen Europa-Sitz nach Luxemburg verlegt. Der Konzern wollte vorher wissen, welche steuerlichen Belastungen sich für ihn dort ergeben werden.

Entsprechend der im Fürstentum üblichen Praxis übersandte man den Luxemburgern ein Firmenorganigramm mitsamt einer Erklärung darüber wie und wo man künftig Gewinne versteuern möchte. Die Sachlage war komplex, Amazon wollte mehrere Tochtergesellschaften errichten. Doch bereits elf Tage nach dem Antrag auf Genehmigung kam die Antwort der Luxemburger Finanzverwaltung: Der Onlinehändler bekam grünes Licht.

Zwölf Jahre später sieht es so aus, als hätte die Episode ein juristisches Nachspiel für Luxemburg und den Onlinehändler. Die EU-Kommission hat am Freitag eine Einschätzung darüber veröffentlicht, ob die Steuerabsprachen Amazons mit dem Fürstentum rechtmäßig sind. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. Laut Kommission deutet alles darauf hin, dass Luxemburg Amazon seit Jahren illegale Steuervorteile gewährt. Die Rede ist von einer verbotenen staatlichen Beihilfe. Eines der vielen Indizien dafür ist laut Brüsseler Behörde, dass Amazon wichtige Berechnungen über seine Geschäftstätigkeit nie vorgelegt hat. Ein weiteres Indiz ist, dass die Prüfung des Antrages nur elf Tage dauerte, also nicht sehr substanziell ausgefallen sein dürfte.

Unversteuerte Gewinne

Worum es geht: Wer in Europa beim Onlinehändler bestellt, schließt einen Kaufvertrag mit der luxemburgischen Gesellschaft Amazon EU Sarl ab. Diese Firma betreibt die vielen Websites wie www.amazon.at. Sie organisiert den Einkauf von Waren und ihren Versand an Kunden. Amazon EU Sarl macht also die großen Umsätze. Die Firma gehört einer anderen luxemburgischen Gesellschaft, der Amazon Holding Technologies. Diese steht ihrerseits im Eigentum des amerikanischen Mutterkonzerns mit Sitz in Seattle.

Die EU-Kommission vermutet, dass die Holding in Wahrheit nur dazu dient, steuerpflichtige Gewinne von Amazon in Europa zu schmälern. Das geht so: Der Holding gehört ein Teil des geistigen Eigentums (Patente, Programme) im Amazon-Konzern. Amazon EU Sarl bezahlt eine Lizenzgebühr an die Holding, um diese Rechte nutzen zu können. Dadurch schmälert sich der Gewinn im Unternehmen. Die Holding ist in Luxemburg aber nicht steuerpflichtig, weil sie nur als Briefkastenfirma ausgestaltet ist. Auch in den USA muss sie keine Steuern bezahlen, weil die Gewinne aus amerikanischer Sicht in Europa verbleiben.

Solche Unternehmenskonstruktionen sind nicht per se illegal. Die große Frage im internationalen Steuerrecht ist aber, ob die Lizenzgebühr angemessen ist. Wird zu viel bezahlt, dürften das Behörden nicht akzeptieren. Beurteilt wird das nach Vorgaben der Industriestaatenorganisation OECD. Dabei wird mittels Berechnungen analysiert, ob die innerhalb eines Konzerns bezahlten Lizenzen "marktüblich" sind.

Doch solche Vergleiche hat es laut EU-Kommission nicht gegeben, zumindest hat Luxemburg bisher keine Unterlagen vorlegen können. Die Lizenzgebühr wurde mit vier bis sechs Prozent der Einnahmen von Amazon EU Sarl festgelegt. Die Untergrenze erscheint der Kommission zu hoch. Sie moniert auch, dass die Höhe der Lizenzgebühr seit 2003 nie geprüft wurde. Die Brüsseler Behörde hat weitere Infos aus Luxemburg angefordert. Sollte Amazon im Verfahren verurteilt werden, müsste der Konzern die Beihilfen, also den Steuerrabatt, zurückzahlen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 17.1.2015)