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Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und auch Bundeskanzler Werner Faymann (von links) suchten in Raiding sozialdemokratische Antworten fürs 21. Jahrhundert, das für Faymann schon am Freitag Gestalt anzunehmen droht.

Foto: APA/EXPA/Michael Gruber

Raiding – Wenn man bei Weppersdorf von der S 31, der Burgenland-Schnellstraße, abfährt Richtung Deutschkreutz-Kopháza, so gelangt man recht bald in jene Gegend, in der Norbert Darabos daheim ist. Der Bundesgeschäftsführer der SPÖ brauchte am Samstag in der Früh im heimatlichen Mjenovo/Kroatisch Minihof also nur dreimal umzufallen, westwärts. Schon war er in Raiding. Dort, in der Esterházy’schen Pampa, hatte Franz Liszt seine Kindheit verbracht. Das Burgenland hat sich kulturtouristisch auf diesen musikalischen Romantiker draufgesetzt, neben sein Geburtshaus eine –ihrer Akustik wegen auch für Tonaufnahmen hoch geschätzte – Konzerthalle hingestellt. Und dorthin rief die burgenländische SPÖ zu ihrem Parteitag, der diesmal um zwei Gravitationszentren kreiste.

Die erste Sonne lag auf der Hand: Hans Niessl. Der soll die Landtagswahl Ende Mai 2015 überstrahlen. Die zweite Sonne war schon schwerer zu handeln: den Werner Faymann zu lehren, wie man sowas macht. So ein Überstrahlen. Wenigstens parteiintern. Denn dummerweise muss der Bundeskanzler am kommenden Freitag beim Parteitag tun, was Hans Niessl am Samstag mit geläufiger Souveränität getan hat: schrammenlos durchs parteifreundliche Hickhack zu einem halbwegs akzeptablen Ergebnis zu kommen.

Rotes Dilemma

Von den 96 Prozent – für die Hans Niessl sich nach seinen mehr als 98 Prozent vor zwei Jahren wie ein Verlierer rechtfertigte: dass er halt ein Freund klarer Worte sei, niemanden nach dem Mund rede – kann der Kanzler ohnehin nur träumen.

Ein Traum, der das Dilemma der Sozialdemokratie – nicht nur in Österreich, aber hier halt auch – recht schön charakterisiert. Niessl tut nämlich, was Faymann sich aus guten Gründen verbeißen muss: Er liebäugelt mit der FPÖ. Das hat nicht minder gute Gründe, nämlich die Wahlarithmetik, die in den dann proporzbefreiten Wahlergebnissen 2015 eine tatsächlich entscheidende Rolle spielen wird.

Fiese ÖVP, fiese Basis

Eine Rolle ist das, der Niessl zumindest rhetorisch gerne auch das fundamentalste Verfassungsprinzip zu opfern bereit ist: die Gewaltenteilung. Die Fiesheit der ÖVP illustrierte er an einer Aussage seines schwarzen Vize Franz Steindl. Der habe sich, so Niessl, nicht gescheut zu sagen, der Landeshauptmann werde nicht vom Wähler gewählt, sondern vom Landtag. "Wer so etwas sagt, denkt an Tricksereien!" Also: "Wir brauchen 47 plus. Keine Mehrheit jenseits der Sozialdemokratie." Und also: Rennen, rennen, rennen – Applaus annähernd frenetisch.

Das darf man getrost dem anhebenden Wahlkampf zuschreiben. Faymanns bemühte Rede dagegen galt jener Bundesbasis, die ihn vor zwei Jahren mit etwas mehr als 83 Prozent spüren ließ, dass es leichter ist, einen amtierenden Bundesparteiobmann abzusageln als einer zu sein.

Mangelnder Frenetismus

Der Krampf dieses Spürens war in Raiding durchaus zu spüren. Nein, nein: die burgenländischen Genossen bissen sich eh lieber ins empfindliche Zungenspitzerl, als diesbezüglich irgendwas verlauten zu lassen. Aber die Ovationen für den immerhin Bundeskanzler waren vom Frenetismus so weit entfernt, wie die burgenländische SPÖ von einem entspannten Umgang mit der offenen Grenze. Und so verdichtete sich der Eindruck – bei allem Mühen und rhetorischer Geläufigkeit –, dass Werner Faymann auch hier bloß ums eigene Leiberl läuft.

Geradezu selbstlos kam ihm da Koalitionspartner Reinhold Mitterlehner zu Hilfe mit seiner Rede von der Pensionsautomatik. Eiskalt sei die angesichts steigender Altersarbeitlosigkeit, "wir brauchen Menschen, die sich für andere einsetzen, keine Automaten, die sinnlos herumstehen. Die Pensionsfrage ist Arbeitsmarktpolitik!".

Die Börselfrage

Sowas klingt fraglos gut. Aber nicht annähernd so gut, wie die Rede davon, dass Hans Niessl "sehr früh schon gefordert hat, dass mehr netto vom brutto im Börsel bleibt". Die Burgenländer – fleißig, gute Handwerker, wie man auch am eigenen alter Ego, Josef Ostermayer, sehen könne – sollten und dürften stolz sein auf sich, das Land und Hans Niessl: "Schaut’s, dass so bleibt!"

Dazu rief, nona, Hans Niessl erst recht auf. Artig bedankte er sich beim Kanzler mit der Versicherung, "die burgenländische Sozialdemokratie, die prozentmäßig stärkste, steht geschlossen hinter dir". Da hatte er das launige Apercu des SP-Altfinazminister Ferdinand Lacina im samstägigen "Kurier" – wonach die SPÖ solange davon rede, dass sie geschlossen sei, bis sie es werde – zwar schon gelesen, aber rhetorisch noch nicht einbauen können.

21. Jahrhundert und der Donnerstag

Dafür sprach er auffällig deutlich mit seinem steirischen Kollegen. Franz Voves hatte ja gemeint, die Sozialdemokratie habe keine Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts. Niessl gab aus seiner pannonischen Sicht gleich mehrere – vom burgenländischen Thermentourismus über die burgenländische Wohnbaupolitik bis hin zur burgenländischen erneuerbaren Energie – und fasste zusammen: "Wir haben keine Angst vorm 21. Jahrhundert."

Werner Faymann auch nicht. Nur vor dem drohenden Freitag. (Wolfgang Weisgram, derStandard.at, 22. 11. 2014)