Pfannkucheneis im Südpolarmeer. Die spezielle Meereisart geht aus sogenanntem Eisschlamm hervor. Während in der Antarktis die Eismassen zunehmen, geht das Meereis im Norden weiter zurück.

Foto: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut

Die Meereis-Situation im Norden und im Süden am 15.9.2014.

Grafik: Alfred-Wegener-Institut

Aktuelle Messungen bestätigen den langfristigen Abwärtstrend in der Arktis: Die Meereisfläche rund um den Nordpol ist in diesem Jahr auf ein Sommerminimum von etwa 5,0 Millionen Quadratkilometern zurückgegangen, wie deutsche Wissenschafter nun berichten. In der Antarktis sieht es dagegen anders aus: Die Winter-Eisdecke des Südpolarmeeres ist auf eine Fläche von 20,0 Millionen Quadratkilometern angewachsen. Sie übertrifft damit das 30-Jahre-Maximum aus dem vergangenen Jahr.

"Das aktuelle Meereisminimum in der Arktis stellt eine Fortsetzung des langjährigen Abwärtstrends dar, denn mit einer Fläche von 5,0 Millionen Quadratkilometern liegt das Minimum 2014 in etwa gleichauf mit dem Minimum des vergangenen Jahres. Von einer Trendumkehr in der Meereisentwicklung der Arktis kann daher keine Rede sein – auch wenn die verbleibende Eisfläche in diesem Jahr die Werte aus den beiden Extremjahren 2007 und 2012 übertrifft", sagt Meereisphysiker Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

In den Negativrekordjahren hatten Wetterphänomene zu einem besonders starken Rückgang der Meereisdecke geführt. "Im Jahr 2007 waren infolge einer stabilen Hochdrucklage im Frühsommer viele Schmelztümpel auf dem Eis entstanden. Sie hatten Sonnenenergie aufgenommen und das Schmelzen vorangetrieben. Im Sommer 2012 ist das Meereis vor allem an seiner Unterseite außergewöhnlich stark geschmolzen. Im August 2012 kam dann noch ein starker Sturm hinzu, der das Eis durcheinander wirbelte. Solche Wetterextreme sind im Sommer 2014 weitgehend ausgeblieben", erklärt Lars Kaleschke vom Hamburger Exzellenzcluster für Klimaforschung CliSAP.

Regional unterschiedliche Eisentwicklung

Außergewöhnlich deutlich zeigten sich in den zurückliegenden Sommerwochen allerdings die regionalen Unterschiede in der Eisentwicklung. Während es beispielsweise dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern in der zweiten Augusthälfte nicht gelang, sich auf seinem Weg in das Gebiet des Unterseegebirges Alpha-Rücken durch das Packeis nördlich des kanadischen Archipels zu brechen, zog sich das Eis in der russischen Laptewsee weiter nach Norden zurück als jemals zuvor von Satelliten beobachtet worden war.

"An den ersten Septembertagen befand sich die Eiskante in der Laptewsee nördlich von 85 Grad Nord. Das heißt, sie lag nur noch rund 500 Kilometer vom Nordpol entfernt. Im Jahr 2006 war in dieser Region die Distanz zwischen Nordpol und offenem Wasser noch mehr als doppelt so groß", sagt Kaleschke.

Meereisfläche in der Antarktis wächst

Ausgesprochen große Meereisflächen gibt es derzeit in der Antarktis, wo die Meereisdecke in der Regel im September oder Oktober ihr jährliches Frühjahrsmaximum erreicht. "Das Eis bedeckt derzeit eine Meeresfläche von rund 20 Millionen Quadratkilometern und übertrifft damit das 30-Jahre-Maximum von 19,65 Millionen Quadratkilometern aus dem vergangenen Jahr. Diese Daten bekräftigen unsere Beobachtungen, wonach die Meereisbedeckung in der Antarktis in den letzten Jahren zugenommen hat. Das gilt besonders für das Weddellmeer, in dem ein Großteil unserer Forschung stattfindet", sagt Marcel Nicolaus.

Nach Auffassung der Wissenschafter lässt sich die Meereis-Situation in der Antarktis jedoch nicht mit den Bedingungen in der Arktis vergleichen, da sich die geographischen und meteorologischen Gegebenheiten unterscheiden. "Während der Arktische Ozean ein Mittelmeer darstellt, das von Landmassen umgeben ist, treffen wir in der Antarktis auf einen von Eis bedeckten Kontinent, der vom Südlichen Ozean umschlossen wird. Hier begrenzt der Antarktische Zirkumpolarstrom die maximale Meereis-Ausdehnung. Wind und Wellen beeinflussen maßgeblich die Lage der Eiskante – und die Menge an Niederschlägen und Gletscher-Schmelzwasser bestimmt den Süßwasseranteil, welcher mitentscheidet, wie viel Meereis sich im Winter bildet", sagt Lars Kaleschke.

Als mögliche Erklärungen für die große Ausdehnung des antarktischen Meereises diskutiert die internationale Wissenschaftsgemeinde derzeit verschiedene Ursachen. So könnten veränderte Windströmungen und aufsteigendes Schmelzwasser die Flächenzunahme ausgelöst haben. (red, derStandard.at, 16.09.2014)