Ein Schweinswal während eines Hörtests im Fjord und Bælt-Centre im dänischen Kerteminde - die Tests werden aber nicht nur an Tieren durchgeführt, die in Gefangenschaft leben.


Foto: FBC/ITAW

Hannover - Von Schiffslärm über die Vibrationen von Windkraftanlagen bis zu Sonar-Experimenten: Meerestiere sind mittlerweile einer Vielzahl neuer Lärmquellen ausgesetzt, an die sie sich noch nicht anpassen konnten - insbesondere für Wale gilt dies als potenziell gefährlicher Faktor.

Die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover berichtet nun von einem Forschungsprojekt, mit dem der Einfluss von Unterwasserlärm auf Schweinswale - an die zweieinhalb Meter lange Delfin-Verwandte - in der Nord- und Ostsee untersucht werden soll.

In der Nordsee tragen neben Schiffsverkehr oder militärischen Übungen auch die Bauarbeiten in den Offshore-Windparks zum Hintergrundschall bei: Vor allem bei der Installation der Fundamente für die Windkraftanlagen entstehen sehr hohe Schallpegel, die noch in sehr großer Entfernung hörbar sind.

Kooperation mit Fischern

Um die Auswirkung des Unterwasserlärms auf die Wale zu beurteilen, erheben die Hannoveraner Wissenschafter unter der Leitung von Ursula Siebert zusammen mit deutschen und dänischen Kollegen Daten zur Hörfähigkeit und Hörempfindlichkeit der Meeressäuger. Dies geschieht unter anderem in Zusammenarbeit mit Fischern: Die Fischer benachrichtigen die Forscher, wenn ihnen versehentlich ein Schweinswal ins Netz geganen ist. Die Wissenschafter untersuchen dann unter tiermedizinischer Aufsicht die Hörfähigkeit des Tiers, danach wird es wieder freigelassen.

Die Untersuchungsmethode ist praktisch dieselbe, die auch in der Gehörforschung unter anderem bei Kindern eingesetzt wird: "Wir simulieren einen Impuls, der vergleichbar ist mit dem Lärm, der entsteht, wenn die Fundamente der Windkraftanlagen in den Meeresboden gerammt werden. Dadurch können wir bei den Schweinswalen eine sogenannte zeitlich begrenzte Hörschwellenverschiebung ermitteln“, erklärt der verantwortliche Wissenschafter Andreas Ruser.

Die Ergebnisse dieser Messungen zeigen, wann durch den Lärm bei den Meeressäugetieren eine vorrübergehende Schädigung des Gehörs eintritt. "Diese Schäden sind mit den Folgen eines Diskobesuches beim Menschen vergleichbar. Das Gehör kann sich davon noch vollständig erholen“, sagt Ruser. Dennoch zeige der Hörschwellenverschiebungswert die ersten physikalischen Schäden nach einem großen Lärmereignis.

Weitere Tests

Da Unterwasserlärm bei Schweinswalen auch Stress verursacht und so ihren Gesundheitszustand verschlechtern kann, untersuchen die Wissenschafter zusätzlich Parameter des Hormon- und Immunsystems wie beispielsweise Stresshormone. Frühere Erhebungen haben gezeigt, dass Schweinswale aus der Nord- und Ostsee deutlich häufiger krank sind als ihre Artgenossen aus weniger belasteten arktischen Gewässern.

Von Lärm ausgelöste Verhaltensänderungen konnten bereits beobachtet werden. Im nächsten Schritt soll quantifiziert werden, wie stark Schweinswale ihr Fressverhalten ändern. Dies ermöglicht es, zu berechnen, wieviel mehr Energie die Meeressäuger durch diese Störungen verbrauchen. (red, derStandard.at, 18. 9. 2014)