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Sozialminister Rudolf Hundstorfer glaubt, dass mit Reinhold Mitterlehner noch heuer eine Steuerreform unter Dach und Fach gebracht werden könne.

Foto: APA/Fohringer

Rudolf Hundstorfer, bisher das Gegenüber von Reinhold Mitterlehner in der Koalition, hat sich über dessen Kür zum neuen ÖVP-Obmann gefreut und gleich per SMS gratuliert. Für den sozialdemokratischen Sozialminister ist Mitterlehner nicht bloß ein Regierungskollege, sondern ein enger (So-zial-)Partner, mit dem er viele Projekte ohne öffentliche Wadlbeißereien über die Bühne brachte. "Ich bin optimistisch, dass wir mit ihm ein anderes Klima, einen besseren Stil in die Regierungsarbeit bekommen", sagt Hundstorfer am Mittwoch zum Standard.

Dass ein Vizekanzler dem Sozialminister wegen konjunkturbedingter Pensionsausgaben ein Budgetloch unterstellt und dem Verteidigungsminister einen Sparkurs aufbrummt, um ihn dann für das "Aushungern" des Bundesheeres verantwortlich zu machen, werde es nun nicht mehr geben, glaubt Hundstorfer: "Das gegenseitige Hickhack wird sich aufhören." Hundstorfer rechnet damit, dass eine Steuerreform bis Jahresende unter Dach und Fach gebracht wird.

Auch Bundeskanzler Werner Faymann blickt der Zusammenarbeit mit dem neuen Vizekanzler an seiner Seite optimistisch entgegen und lobte die Konsensbereitschaft Mitterlehners. "Es ist ein sehr positives Signal für die künftige Zusammenarbeit in der Regierung, dass sich die ÖVP gestern so klar, rasch und eindeutig für einen neuen Obmann und Vizekanzler entschieden hat", erklärte der Bundeskanzler. Faymann würdigte Mitterlehner als einen "Politiker, dessen Sachkompetenz, Bereitschaft zum Finden gemeinsamer Lösungen und Verlässlichkeit schon in den letzten Jahren für viele positive Ergebnisse in der Regierungsarbeit gesorgt haben". Er erwarte sich nun, "dass wir in den kommenden Wochen und Monaten die neuen Chancen nutzen, um gute politische Ergebnisse für die Menschen in unserem Land zu erzielen".

Der mächtige Wiener Arbeiterkammerpräsident Werner Muhm, der Faymann auch in Fragen der Steuerreform beratend zur Seite steht, kommentierte die Kür Mitterlehners skeptisch: "Ich hoffe, es schadet ihm nicht", sagte er.

Die Entscheidung für Mitterlehner wurde bei hochrangigen Bankern und Sozialpartnern, die bei den Wirtschaftsgesprächen beim Europäischen Forum Alpbach weilen, von vielen als Signal für Stabilität begrüßt. "Aber wer Parteiobmann ist, ist für das Land egal, der Finanzminister ist viel wichtiger", sagte ein Banker, der sich vom neuen Ressortchef vor allem Kommunikation erwartet. Mit dem nichtangekündigten Haircut für die Hypo Alpe Adria überraschte Spindelegger die Finanzwelt und verstimmte sie nachdrücklich.

Eigenes Ressort

Grünen-Chefin Eva Glawischnig formulierte am Mittwoch "Anliegen" an den neuen ÖVP-Chef: Mitterlehner solle den Unis ihr eigenes Ressort zurückgeben und das Wissenschaftsministerium aus dem Wirtschaftsministerium ausgliedern. Außerdem fordert Glawischnig Vermögenssteuern und eine Entlastung des Faktors Arbeit: "Ich habe nie verstanden, warum man jetzt keine Steuerreform machen kann." Für das Finanzministerium wünscht sie sich "Expertise statt Parteiideologie". Mitterlehner habe sie als pragmatischen Verwandler kennengelernt. Die ÖVP unter Spindelegger war Glawischnig zu "retro". Spindelegger habe bei der Gesamtschule, der Kinderbetreuung oder bei der Homosexuellenehe Positionen vertreten, die "moderne Familien immer wieder sehr verunsicherten". Von Mitterlehner erwartet sie sich "deutlich mehr Offenheit" in bildungs- und gesellschaftspolitischen Fragen, sonst will sie sich für Neuwahlen einsetzen.

Das neue rot-schwarze Regierungsteam soll sich noch am Dienstag in einer Sondersitzung des Nationalrats den Abgeordneten präsentieren. Bei diesem Anlass soll auch Doris Bures zur Ersten Nationalratspräsidentin gewählt werden. Die Wahl, die nach einer Debatte stattfindet, ist geheim und erfolgt in Wahlzellen, so dies mindestens fünf Abgeordnete verlangen. Wird die Präsidentin mit einfacher Mehrheit gewählt, wird sie sofort mit dem Präsidentenamt betraut und übernimmt unmittelbar danach den Vorsitz.

Im Anschluss an die Wahl sind Erklärungen von Bundeskanzler Faymann, dem neuen Vizekanzler Mitterlehner sowie der neuen Regierungsmitglieder inklusive Debatten geplant. Angelobt wird auch der Nachfolger auf Prammers Mandat, der oberösterreichische SP-Gewerkschafter Walter Schopf. (red, DER STANDARD, 28.8.2014)