Internationale Medien kommentierten den Rücktritt Michael Spindeleggers vom Amt des Vizekanzlers, Finanzministers und ÖVP-Obmanns folgendermaßen:

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Frankfurt):

"Es ist noch kein Jahr her, dass die Große Koalition in Österreich in einer Nationalratswahl bestätigt worden ist. (...) Seither wirken die Protagonisten wie zwei Badende, die sich aus Angst vorm Ertrinken aneinanderklammern. Zuletzt hat sich der eine, der Sozialdemokrat Faymann, vom anderen, Spindelegger, freigestrampelt und nach dem Rettungsring gegriffen (...) Spindelegger, der das nicht mitmachen wollte, weil er sich an sein Wahlversprechen (keine Steuererhöhung) gebunden fühlte, ging bald unter. Sein Nachfolger kann sich nun wieder an den Kanzler klammern, wie es die um ihre Posten fürchtenden ÖVP-Landesfürsten wünschen. Oder er kann versuchen, sich eine eigene schwimmfähige Basis zu schaffen."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Egal wer Nachfolger von Michael Spindelegger wird - er ist in jedem Fall eine Übergangslösung. Den Chefposten der österreichischen Volkspartei zu übernehmen, ist ein Himmelfahrtskommando: Wer sich traut, stirbt einen schnellen politischen Tod. (...) Tatsächlich ist die ÖVP reform- und entwicklungsunfähig, weil sie sich in einem Gestrüpp von Abhängigkeiten und Erpressungen dauerhaft blockiert. Eigentlich müsste man die Partei auflösen, neu gründen und neu positionieren. Aber Spindeleggers Ende ist nur ein Symptom für eine politische Struktur, an der auch die SPÖ krankt. (....) Die Koalition wird fortbestehen, zu groß ist die Angst vor den Rechtspopulisten. Aber die Volksparteien sind todgeweiht. Morituri te salutant."

"Neue Zürcher Zeitung" (Zürich):

"Der Rücktritt des österreichischen Vizekanzlers Michael Spindelegger zeigt nicht nur, in welchem erbärmlichen Zustand sich die konservative Volkspartei befindet. Er belastet auch die grosse Koalition mit den Sozialdemokraten, die ohnehin in grossen Schwierigkeiten steckt. Die beiden Parteien regieren Österreich seit 2007. Schon zuvor hatten sie jahrzehntelang gemeinsam die Geschicke des Landes bestimmt, obschon sie sich eigentlich immer fremd geblieben sind. Bei den letzten Parlamentswahlen im September 2013 sackten sowohl die Volkspartei als auch die Sozialdemokraten auf einen Tiefstand ab. (...) Zusammen erreichten sie nochmals eine absolute Mehrheit, wenn auch knapp. Es war ein Zweckbündnis zur Erhaltung der Macht. Nun hat Spindelegger genug, nicht nur von der ständigen Kritik in der eigenen Partei. Er beklagte auch den fehlenden Zusammenhalt innerhalb der grossen Koalition."

"Tagesanzeiger" (Zürich):

"Dass Spindelegger nicht mehr lange im Amt bleiben würde, darüber spekulierten die Medien schon länger. Zu heftig wurde die Kritik, vor allem aus den eigenen Reihen. Spindelegger wurde selbst den Konservativen zu konservativ. Stur lehnte er sowohl neue Steuern als auch neue Schulden ab. (...) Kanzler und Parteichef Faymann hatte in den vergangenen Tagen selbst Probleme mit umstrittenen Personalrochaden und mit der zu geringen Frauenquote in der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion. Jetzt kann sich der rote Parteichef entspannt zurücklehnen und aus der ersten Reihe der Führungskrise der ÖVP zuschauen."

"Le Monde" (Paris):

"Nicht nur in Frankreich steckt die Parlamentsmehrheit tief in einer Regierungskrise. In Österreich ist der Chef der Konservativen und Koalitionspartner der Sozialdemokraten, Michael Spindelegger, am Dienstag, den 26. August zurückgetreten. (...) Sein Abschied eröffnet eine Periode der Ungewissheit für die seit Dezember 2013 vom sozialdemokratischen Kanzler Werner Faymann geführte Große Koalition."

"Handelsblatt" (Düsseldorf):

"Nicht nur die Regierung, sondern ganz Österreich lässt Spindelegger mit seinem Abschied als Minister und Parteichef ratlos zurück. Ist Österreich überhaupt noch zu Reformen fähig, um die hohe Staatsverschuldung energisch anzugehen? Spindelegger hat mit seinem Rücktritt seine persönliche Antwort gegeben. Sie ist verständlich. Tatsächlich ist die erst seit elf Monaten im Amt befindliche Regierung so kraft- und saftlos, dass schon Mitleid in den Nachbarländern aufkommt. Statt neuer Ideen und ernster Reformen war das Bündnis unter dem farblosen Faymann bislang nur zum Durchwursteln fähig." (APA, 27.08.2014)