Eisenstadt - Den Anfang machte Werner Falb-Meixner. Der ÖVP-Agrarlandesrat trat 2011 zurück, nachdem er wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt wurde. Er hatte in seiner damaligen Funktion als Bürgermeister des nordburgenländischen Zurndorf ungarische Kinder angemeldet, wohl wissend, dass sie nicht hier wohnten. Sein Ziel war es, die Hauptschule zu erhalten, die ansonsten unter die bestandgarantierende Zahl von 90 Schülern gefallen wäre, wie ein Erlass des Landesschulrates das bestimmt hat.
Politische Infantilität
Ein wenig voreilig, wie es vielen Beobachtern erscheint. Als hätte man der politischen Infantilität ein Werkzeug an die Hand geben wollen, dem je anderen ans Zeug zu flicken, auch dem Preis des Kollateralschadens. Denn ins Rollen gekommen ist der mit Falb-Meixner begonnene Reigen im Vorfeld der Landtagswahl 2010, als die SPÖ absolut regierte und die mitregierende ÖVP sich davon absolut auf den Schlips getreten fühlte. Eine Amtsmissbrauchsanzeige jagte die nächste. Anonym, klar. In solchen Dunstkreisen pflegt man nicht zu kämpfen, sondern zu vernadern.
In den vergangenen drei Jahren gab es Ermittlungen, Anklagen und Verurteilungen gegen eine Vielzahl von Bürgermeistern, Amtmännern, Referenten, ja sogar einen einschlägig vertuscht habenden Bezirkshauptmann. Allein die Staatsanwaltschaft Eisenstadt klagte 59 Verdächtige aus 18 Gemeinden an, die Korruptionsstaatsanwaltschaft brachte fünf Gemeinden vor den Richter, und allmählich fragt sich das Burgenland, ob da nicht mit dem Bad der Gesetzestreue das Kind des europäischen Zusammenwachsens ausgeschüttet wird.
Es ging ja - so wie etwa in Kittsee - nicht nur um die Erhaltung des Schulstandorts, sondern um Stichtage oder auch schlichte Irrtümer, erzählt Bürgermeisterin Gabriele Nabinger, deren Vorgänger Klaus Senftner zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil er und die slowakischen Eltern meinten, eine Wohnsitzmeldung wäre notwendig, obwohl zwischen der Kittseer Unesco-Schule und Bratislava eine Kooperation bestand, die das unnötig gemacht hätte. Oder: "Wenn die Eltern erst im November herziehen, warum soll das Kind nicht schon im September hier in die Schule gehen."
In vielen Gemeinden - Lockenhaus etwa - wurden EU-geförderte Schüleraustausche weitergeführt, um Klassengemeinschaften nicht auseinanderzureißen. Walter Temmel, der Bürgermeister von Bildein, glaubt ohnehin, dass der nachbarschaftliche Schulbesuch bei weitem mehr zum Zusammenwachsen der Regionen beiträgt als jedes noch so hoch geförderte EU-Projekt.
Auch Temmel saß - wie seine Amtskollegen in den Nachbargemeinden einem Irrtum auf. Mit harter Eisenstädter Hand wurde 2008 die Hauptschule im benachbarten Eberau geschlossen, nur um ein Jahr später als katholische Privatschule wiedereröffnet zu werden. Für die aber wäre - "das steht ausdrücklich im Konkordat" - keine Wohnsitzmeldung nötig gewesen. Werner Dax, beim Großteil der einschlägigen Verfahren der Verteidiger, meint, die Bürgermeister, Schulleiter, Amtsleute und die Amtsleiter "wurden hier ein wenig alleingelassen".
Das letzte Argument
So wie die gesamte Region. Werner Sampt, Bürgermeister von Neuhaus am Klausenbach, der südlichsten Gemeinde des Burgenlandes, war zwar kein Gegenstand einschlägiger Ermittlungen. "Das wollt' ich mir nicht antun." Aber ihm bleibt auch nur das Jammern. In zwei, drei Jahren, das sagt ihm das Geburtenregister, wird die Neue Mittelschule in ärgste Fisimatenten geraten. Und damit das letzte schlagende Argument für junge Familien, doch nicht fort- oder gar herzuziehen.
Zwei Anklagen, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Eisenstadt, Maria Wehofer, warteten jetzt noch darauf, von einem Schöffensenat abgearbeitet zu werden. Die gegen Manfred Kölly, den Listen-Bürgermeister des mittelburgenländischen Deutschkreutz, das dabei ist, sich wieder mit seiner Stadt, Sopron, enger zu verschränken. Und die gegen Gerhard Steier, immerhin SPÖ-Landtagspräsident, der einst am anderen Ende von Sopron den Bürgermeister von Siegendorf/Cindrof machte. (wei, DER STANDARD, 27.8.2014)