Treffpunkt des Geldadels bei den Salzburger Festspielen

Foto: APA/Neumayr

Durch die Debatte über die übermäßige Steuerbelastung von Österreichs Arbeitnehmern ist in der Öffentlichkeit ein erschreckendes Bild entstanden: Während Klein- und Mittelverdiener fast die Hälfte jedes zusätzlichen Euro an den Finanzminister abliefern, kommen die Reichen, die von Kapitalerträgen leben, mit einem Steuersatz von 25 Prozent davon (wenn sie diesen überhaupt bezahlen).

Die Masse blecht, die Oligarchen werden verschont.

Doch dieses Bild eines zutiefst unfairen Steuersystems ist falsch und beruht auf gleich zwei Irrtümern. Die Steuerbelastung für den Mittelstand ist in Österreich sehr hoch, aber für Reiche ist sie noch etwas höher.

Sozialversicherung ist keine Steuer

Der erste Irrtum betrifft die Abgabenbelastung von Arbeitseinkommen. Die besteht aus der Einkommenssteuer und den Sozialversicherungsabgaben. Die Einkommenssteuer setzt bei rund 15.000 Euro Jahreseinkommen ein und steigt dann progressiv mit dem Einkommen an.

Die Sozialversicherungsabgaben beginnen bereits bei rund 400 Euro im Monat oder 4800 Euro im Jahr und sind mit 4530 Euro im Monat gedeckelt. Wer mehr verdient, zahlt zwar bald den Spitzensteuersatz von 50 Prozent (minus dem Jahressechstel, wenn er unter 185.000 Euro im Jahr verdient), aber keine Sozialversicherung mehr.

Da die Sozialversicherung 38 Prozent des Gesamteinkommens schluckt –  21 Prozent zahlt der Arbeitgeber, 17 Prozent der Arbeitnehmer -, ergibt sich eine Art von „flat tax“. Arbeitnehmer und Selbstständige liefern zwischen 40 und 45 Prozent des Gesamtentgeltes an den Fiskus ab, egal ob sie wenig oder viel verdienen.

Am höchsten ist die Belastung knapp unter der Höchstbemessungsgrundlage, also in der oberen Mittelschicht. Darüber sinkt sie wieder.

Forderung nach Ende der Deckelung

Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, wird immer wieder von linker Seite nicht nur die Steuerentlastung unten, sondern das Ende der Deckelung für Sozialversicherungsbeiträge gefordert.

Doch Einkommenssteuer und Sozialversicherung dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Steuern gehen an die Gemeinschaft, Versicherungsbeiträge bezahlt man für bestimmte Leistungen, die man nicht unbeschränkt in Anspruch nehmen kann.

Nun lässt es sich noch argumentieren, dass der Beitrag zur Krankenversicherung nicht gedeckelt werden soll. Das wäre dann eine Gesundheitssteuer und würde das ganze Steuersystem etwas progressiver machen.

Die Deckelung ist notwendig

Aber die Krankenversicherung macht nur einen kleinen Teil der Sozialversicherung aus, nämlich ein Fünftel. 60 Prozent der Belastung wird durch Pensionsbeiträge verursacht. Und wenn die bei höheren Einkommen steigen, dann müssten auch die Leistungen angehoben werden – das heißt, später einmal höhere Pensionen ausbezahlt werden. Und das würde langfristig keine Umverteilung mit sich bringen.

Deshalb ist die Deckelung in unserem System notwendig. Wer auf sie verzichten will, muss das Versicherungsprinzip über Bord werfen und zu einem steuerfinanzierten Pensionssystem wie in Dänemark übergehen.

Kapitalerträge - nominal und real

Der zweite Irrtum ist, dass Kapitalerträge niedriger als Arbeitseinkommen besteuert werden. Das werden sie nicht - weder in einer Privatstiftung noch außerhalb.

Denn die Kapitalertragssteuer von 25 Prozent wird auf die nominalen Renditen erhoben, während nur die realen Renditen, also die inflationsbereinigten, mit Arbeitseinkommen vergleichbar sind. Und die seit weit höher als mit 25 Prozent besteuert.

Bei einer Inflationsrate von 2 Prozent und einer Jahresrendite von 4 Prozent – egal ob durch Zinsen oder Kursgewinne – beträgt die inflationsbereinigte Rendite 2 Prozent. Davon frisst die Kest ein Prozentpunkt, also die Hälfte. Bei extrem niedrigen Zinsen wie heute steigt der effektive Steuersatz leicht über 100 Prozent.

Wenn man weiters bedenkt, dass Kapitalerträge im Normalfall bereits zuvor mit 25 Prozent Körperschaftssteuer belegt worden sind, ergibt sich fast immer eine Steuerbelastung, die über der Einkommenssteuer liegt.

Staat darf etwas mehr abschneiden

Das ist nicht schlecht. Anders als Arbeitseinkommen ist bei Kapitalerträgen die individuelle Leistung oft zweitrangig. Deshalb kann der Staat im Namen der Gerechtigkeit dort ruhig etwas mehr abschneiden.

Aber wenn Kapitalerträge genauso hoch wie anderes Einkommen besteuert werden, dann entsteht ein massives Ungleichgewicht. Das war in Deutschland bis 2009 der Fall und hat sicher zur massiven Steuerflucht ins Ausland beigetragen.

In Österreich waren Kursgewinne bis zur Einführung der Wertpapier-Kest 2012 hingegen steuerlich praktisch ausgenommen, was ebenso falsch war.

25-Prozent Kest ist ein guter Kompromiss

Eine 25-prozentige Abgeltungs- oder Quellensteuer auf alle Kapitalerträge, wie es sie in Österreich und in Deutschland nunmehr gibt, ist ein guter Kompromiss zwischen mathematischer und sozialer Fairness. Das Steuersystem ist leicht progressiv, aber nicht extrem.

Wer es – auch mit Hinweis auf die wachsende Kluft zwischen arm und reich, die Thomas Piketty in seinem Buch "Capital in the 21st Century" dokumentiert - progressiver gestalten will, soll das ruhig fordern - ein Weg wäre eine vernünftige Grund- und Erbschaftssteuer. Aber bitte nicht mit Behauptungen über Ungerechtigkeiten, die auf falschen Zahlen basieren. (Eric Frey, derStandard.at, 17.5.2014)