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Hanno Settele kutschiert Politiker durch Europa: Unsympathisch war ihm noch kein Kandidat, essen gehen will er trotzdem nicht mit allen.

Foto: APA/Orf/Zach-Kiesling

Vor der EU-Wahl chauffiert der ORF-Journalist Hanno Settele wieder Politiker mit seinem Mercedes durch Europa. Diesmal nehmen auf der Rückbank Europapolitiker wie Parlamentspräsident Martin Schulz und Justizkommissarin Viviane Reding Platz. Warum Homestorys gestorben sind, wieso er die europäischen Politiker erfrischend findet und wann er mit dem Autoradio mitsingt, erzählte er Marie-Theres Egyed.

derStandard.at: Vor der Nationalratswahl 2013 haben Sie die Spitzenkandidaten durch Österreich chauffiert, jetzt fahren Sie mit EU-Spitzenpolitikern und Kandidaten fürs EU-Parlament durch Europa. Sind Sie bei den Zusehern nicht bekannter als Ihre Beifahrer?

Settele: Das kann ich nicht beurteilen. Es wäre unangenehm, wenn der Europaparlamentspräsident Martin Schulz europaweit weniger bekannt wäre, als ich es bin.

derStandard.at: Ihre Mitfahrer sind diesmal EU-Parlamentarier und Kommissare. Welche Unterschiede haben Sie zu den heimischen Politikern festgestellt?

Settele: Es waren beides spannende Angelegenheiten. Bei den heimischen Politikern stand unsere Nationalratswahl im Mittelpunkt, und bei den europäischen Politikern hatten wir die Möglichkeit, in andere Länder zu kommen, andere Denkweisen zu finden, einfach andere Politiker zu sehen, die es bei uns nicht gibt.

derStandard.at: Inwiefern?

Settele: Die Personen, die mitgefahren sind, wie Martin Schulz oder Justizkommissarin Viviane Reding, haben eine gewisse Lockerheit und Sicherheit an den Tag gelegt, die bemerkenswert ist. Sie haben sich ins Auto gesetzt und sind mitgefahren. Das war sehr erfrischend.

derStandard.at: Warum haben Sie die "Europawahlfahrt" nicht mit den österreichischen Spitzenkandidaten gemacht?

Settele: Da die Wahl Europawahl heißt, wollten wir etwas von Europa zeigen.

derStandard.at: Das ist auch ein Risiko: Die EU ist nicht gerade beliebt, und die Wahl stößt nicht auf besonders großes Interesse.

Settele: Da wollen wir eben einen Beitrag leisten. Vielleicht erreichen wir auch den einen oder anderen, der beim Wort "Politik" schon die Ohren anlegt.

derStandard.at: Was kommt beim Wähler besser an: ein kritisches "ZiB"-Interview oder eine gemütliche Plauderei?

Settele: Das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Bei einem "ZiB"-Interview will man etwas zu einem vordefinierten Thema wissen. Die "Wahlfahrt" stellt aber mehr den Menschen in den Mittelpunkt und seine Motivation. Es wäre fatal, wenn Armin Wolf in der ZiB 2 ein "Wahlfahrt Interview" führen würde, und umgekehrt wäre es genauso schlimm, wenn ich im Studio sitzen würde und auf gemütlich machen würde.

derStandard.at: Ist die "Wahlfahrt" mehr als Infotainment?

Settele: Das ist eine schwierige Definition, es fällt in die Kategorie "politische Sendung". Sie macht es auch Menschen möglich, dabei zu bleiben, die sich nicht so für Politik interessieren. Die zentrale Botschaft ist aber nicht, wie das Schlafzimmer aussieht oder was die Politiker am liebsten essen.

derStandard.at: Also keine Homestory auf Rädern.

Settele: Nein, Homestorys sind zum Glück schon gestorben, das war vor zehn Jahren aktuell. Da haben sich die Menschen ihre Schlafzimmer fotografieren lassen, das interessiert uns Nüsse.

derStandard.at: Hilft ein derartiges Format dabei, eine Wahlentscheidung zu treffen?

Settele: Da wäre ich vorsichtig. Es soll dabei helfen, ein Interesse an Politik und den Politikern zu entfachen. Keiner wird vor der "Wahlfahrt" sitzen und mit einer Stricherlliste die Argumente beurteilen. Es geht darum, politikferne Menschen bei der Sendung und beim Sender zu halten und zu zeigen, auch Politiker sind Menschen, die auch ehrliche Motivationen haben. Es soll nicht nur heißen: "Das sind alles Trottel."

derStandard.at: Also eher wohldosierte Häppchen als politischer Diskurs?

Settele: Wir versuchen Leute zu erreichen, die sich generell wenig für Politik interessieren. Wenn die eine Studiodiskussion sehen, wo vier Leute über Ratspräsidentschaft oder den Europäischen Rat fachsimpeln, ist das Interesse einfach oft nicht da. Durch ein längeres Gespräch versuchen wir das Interesse zu erhalten.   

derStandard.at: Verstellen sich Politiker im Auto weniger?

Settele: Das Studiointerview ist immer eine Ausnahmesituation. Wenn man sich nicht wahnsinnig unsympathisch ist, ist die Situation im Auto viel entspannter.

derStandard.at: Keiner Ihrer Mitfahrer war Ihnen jemals unsympathisch?

Settele: Nein, absolut nicht. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich keine Gesprächsebene finde. Aber es geht nicht um sympathisch im Sinn von "Mit dem möchte ich essen gehen".

derStandard.at: Welche Themen haben Sie angesprochen?

Settele: Warum soll man sich aus Brüssel regieren lassen, warum haben so viele Menschen das Gefühl, dass ein Verordnungswahn herrscht, warum kümmern Sie sich um Glühbirnen, aber nicht um Banken? Das sind provokante Thesen, die haben wir hingelegt und geschaut, was sie darauf antworten.

derStandard.at: Was war die Antwort?

Settele: Über die Parteigrenzen hinweg haben alle Kandidaten gesagt, dass sie dieselben Vorwürfe auch jeden Tag bekommen. Dabei seien es Vorwürfe, wo sie entweder nicht selbst entscheiden können oder wo die nationalen Regierungen Lösungen verlangt haben und sich danach abputzen. Da können Sie die ganz rechten und die ganz linken Mitfahrer fragen, sie stehen gemeinsam in einer gewissen Rivalität den nationalen Regierungen gegenüber und fühlen sich von ihnen nicht immer fair behandelt.

derStandard.at: Wollte schon jemand aussteigen, weil er oder sie eine Frage nicht beantworten wollte?

Settele: Nein, in keiner Weise.

derStandard.at: Haben Sie den dänischen EU-Parlamentarier Morten Messerschmidt nach dem Vorfall in einem Restaurant gefragt, bei dem er den Hitlergruß gezeigt haben soll?

Settele: Ja, das haben wir auch besprochen. Ich habe ihn auch zu seiner Einstellung zu Andreas Mölzer und der FPÖ befragt. Mölzer war zum Zeitpunkt der Aufzeichnung noch FPÖ-Spitzenkandidat. Messerschmidt hat mir erzählt, dass Mölzer einen Antrag auf Aufnahme in seine Fraktion, die EFD, gestellt hat, der abgelehnt wurde. Die oft in einen Topf geschmissenen Rechten haben auch noch Abstufungen. Aber ich bin nicht der Sittenwächter von Herrn Messerschmidt, er ist Abgeordneter im Europaparlament, und als solchen haben wir ihn eingeladen.

derStandard.at: Hatten Sie wieder eine Autopanne?

Settele: Das kann ich Ihnen verraten: Es gab keine Panne. Je älter der Benz wird, desto besser wird er.

derStandard.at: Und jetzt ganz ehrlich: Singen Sie eigentlich mit dem Autoradio mit?

Settele: Wenn ein Lied kommt, das mir gefällt, dann trällere ich schon einmal mit. Bis mein Sohn Henry ruft: "Papi, aufhören!" (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 22.4.2014)