"Wenn ich mich bei einer Großpartei einbringen möchte, werde ich da eher keine Chancen haben", meint Melih Gördesli.

Foto: Balazs Csekö

Die Partei Sozial Liberales Österreich (SLÖ) will Politiker mit moralischen Prinzipien und einen Sanktionsmechanismus im Falle einer Verfehlung. daStandard.at erzählt SLÖ-Spitzenkandidat Melih Gördesli warum Lehrkräfte nach der Ausbildung zwei Jahre in der Privatwirtschaft verbringen sollten, und wieso er Efgani Dönmez schon die Tür gezeigt hätte

daStandard.at: Ist die SLÖ die Migrantenpartei?

Gördesli: Die SLÖ ist definitiv keine Migrantenpartei. Wir haben ein sehr vielfältiges Team, in dem auch  Leute mit ausländischen Wurzeln dabei sind. Wir sind Österreich, wir spiegeln die Realität wider. Wir bekennen uns zu Österreich und Europa. Wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich, dass ich ein Österreicher aus Simmering mit türkischen Wurzeln bin. Da sollten wir nicht gleich als Migrantenpartei abgestempelt werden.

dastandard.at: Wie beurteilen Sie als Österreicher mit türkischen Wurzeln die polemischen Dönmez-Aussagen über Teile der türkischen Migrantengesellschaft?

Gördesli: Was mich auch von den Grünen distanziert hat, ist, dass gewisse türkischstämmige Politiker sich mehr mit der Türkei-Politik beschäftigen und die Emotionen von Minderheiten, die wir hier in unserem Land haben, ausnutzen. Ich bin nicht damit einverstanden, dass eine Partei, vor allem eine wie die Grünen, einerseits für Menschenrechte und Demokratie steht, auf der anderen Seite die Menschenrechte und Demokratie mit Füßen getreten werden. Das war auch nicht das erste Mal, dass Herr Dönmez solche Aussagen macht, sondern in regelmäßigen Abständen. Ich bin generell dagegen, dass man die Emotionen von Minderheiten missbraucht. Man soll natürlich über solche Themen sprechen können, wir leben schließlich in einer Demokratie, aber von den Aussagen distanziere ich mich.

daStandard.at: Sie haben erwähnt, dass Sie sich zu Europa bekennen. Welche Rolle spielt Europa für Ihre Partei?

Gördesli: Wir sind für dieses Friedensprojekt. Wir sind für ein geeintes, friedliches Europa, wir betrachten aber gleichzeitig einigen Sachen kritisch. Die SLÖ ist dafür, dass Europa mehr die Menschen fördert. Nicht nur die Banken, sondern auch die Bürger, die auch ein würdiges und glückliches Leben führen und eine sichere Existenz haben können.

daStandard.at: Herrscht ein Demokratiedefizit in Europa?

Gördesli: Nicht nur in Europa, sondern auch in unserem Land. Wir legen großen Wert darauf, dass mehr Bürgerbeteiligung und Partizipation in den demokratischen Prozessen auf allen Ebenen möglich sind.

daStandard.at: Wo versagt das derzeitige System und welche konkreten Erneuerungsvorschläge haben Sie?

Gördesli: Wir wollen nach dem schweizerischen Prinzip mehr Demokratie auf allen Ebenen, dass die Bürger bei gewissen Entscheidungen auch Mitspracherecht haben. Dass die Entscheidungen nicht blind von der Politik getroffen werden, sondern den Bürgern auch eine gewisse Verantwortung überlassen werden sollte.

daStandard.at: Sie plädieren in ihrem Wahlprogramm für "bedingungsloses Grundeinkommen". Woher sollen die Ressourcen dafür kommen? Für wen soll es gelten?

Gördesli: Wir müssen Realpolitik betreiben. In erster Linie ist bedingungsloses Grundeinkommen für österreichische Staatsbürger, weil die Mehrheit der Steuerzahler Österreicher sind. Anders wäre es auch nicht finanzierbar. Wir haben unsere Modelle, die auch zeigen, dass das finanzierbar ist. Wir legen großen Wert darauf, dass die Bürger die Möglichkeit haben, frei, ohne Unterdrückung die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Dass sie nicht ein Produkt eines Fließbandsystems werden.

daStandard.at: In Ihrem Parteiprogramm steht, dass der Bildungsgrad oft "vererbt" wird. Wie könnte man generell zur Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten beitragen?

Gördesli: Wir sind für die Aufhebung der Pragmatisierung von Lehrkräften. Wir sind dafür, dass die Lehrkräfte nach ihrer Ausbildung zwei Jahre in der Privatwirtschaft arbeiten müssen, bevor sie unterrichten, damit sie auch das echte Leben draußen sehen und dementsprechend mit ihren Schülern umgehen können. Wir sind für einen Lehrerführerschein mit Kontrollen von Lehrern alle fünf Jahre und für mehr Integrationsklassen. Mit Integrationsklassen meine ich jetzt nicht nur die Schüler, die Sprachdefizite haben, sondern auch Menschen mit Behinderungen.

daStandard.at: Ihre Partei bekennt sich zu einem Österreich, in welchem jeder unabhängig von "sexueller Orientierung" ein würdiges Leben führen kann. Was ist der Standpunkt der SLÖ bezüglich sogenannter Homo-Ehe?

Gördesli: Wir sind liberal und das haben wir auch im Parteiprogramm so stehen. Dem Menschen steht es frei, wie er sein Leben führen möchte. Wenn jemand heterosexuell leben möchte, wird er heterosexuell leben, wenn er homosexuell leben möchte, kann er homosexuell leben. Wir haben als Partei kein Problem damit, im Gegenteil wir sind für eine offene, freie Gesellschaft, wo jedem Menschen zusteht, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Position und so weiter, ein würdiges, sicheres und glückliches Leben zu führen. Das inkludiert die Homo-Ehe genauso.

daStandard.at: Sie fordern Politiker mit moralischen Prinzipien. Wie ist Moral bei der politischen Klasse zu messen?

Gördesli: Sie können Sie an ihren Handlungen messen. Wir haben eine Parteienlandschaft, die total machtgierig ist. Die sind so machtgierig, dass sie die eigenen Inhalte, Werte und Ideologie vernachlässigen, um an der Macht zu bleiben. Das ist in Österreich ganz oft zu sehen. Das ist auch das Problem, dass innerhalb der Parteien Demokratieverständnis und jegliche Moralvorstellungen fehlen. Wenn ich mich bei einer Großpartei einbringen möchte, werde ich da eher keine Chancen haben, außer ich habe Freunde und über die Freunderlwirtschaft kann ich mich da einbringen. Das ist die Tatsache, die wir momentan in der österreichischen Politik haben, und auch ein Grund dafür, wieso so viele neue Parteien entstanden sind.

daStandard.at: Bis jetzt haben Sie die erforderliche Zahl an Unterstützungserklärungen für den Antritt bei der Nationalratswahl nicht zusammengebracht. Werden wir die SLÖ heuer bei den Wahlen auf dem Stimmzettel sehen können?

Gördesli: Das wird schwer sein. Wir beobachten großes Interesse und wir haben fast die Hälfte der Unterstützungserklärungen für Wien. Das sehen wir schon als Erfolg, und als eine Bestätigung, dass die Menschen doch eine sozialliberale Partei wollen. Unser Vorhaben ist auf jeden Fall längerfristig und wir planen nachhaltig. Bei diesen Wahlen wollen wir noch das Feedback einholen, Aufmerksamkeit erregen, aber bei den Gemeinderatswahlen in zwei Jahren werden wir schon abräumen, da bin ich zuversichtlich. (Balazs Csekö, 30.07.2013, daStandard.at)