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NGOs reklamieren Gelder aus der auch Robin-Hood-Tax genannten Finanzsteuer für Klimaschutz und Entwicklungshilfe.

Foto: reuters/bensch fabrizio

Wien – "Ich war immer ein Befürworter der Finanztransaktionssteuer. Doch die Auswirkungen auf Repo-Geschäfte wären bei Umsetzung des aktuellen EU-Entwurfs verheerend. Die Europäische Zentralbank ist daher in Alarmbereitschaft." Nicht nur der Chef einer österreichischen Großbank, der namentlich nicht genannt werden möchte, sorgt sich um die Finanzierung der Banken über den Geldmarkt.

Geschäfte über Nacht

Bei Repo-Geschäften werden Anleihen, Derivate oder Aktien als Sicherheiten für kurzfristige Ausleihungen zur Verfügung gestellt. Dieser Markt ist in Europa 5,6 Billionen Euro schwer. Viele der Transaktionen finden "über Nacht" statt. Daher bedeute der Steuersatz auf Finanztransaktionen von 0,1 Prozent übers Jahr gerechnet eine Belastung von 25 Prozent, heißt es in einer Untersuchung des European Repo Council. Tatsächlich haben einzelne Institute für sich bereits Milliardenbelastungen aus diesem Titel errechnet. Internationale Banken – vor allem die großen US-Häuser wie JPMorgan, Bank of America oder Goldman Sachs – könnten sich aus dem Markt sogar ganz zurückziehen, meint der Banker.

Nicht nur die Liquiditätssteuerung der Banken werde durch die Abgabe stark beeinträchtigt, auch die Attraktivität der Besicherungen selbst sinke. Das führe wiederum zu einer Verteuerung der Kapitalaufnahme. Bank of America hat errechnet, dass die elf FTS-Staaten allein mit höheren Zinskosten für Staatsanleihen von 6,5 bis 8,5 Milliarden Euro konfrontiert würden. Auch für Unternehmen sei ein Anstieg der Finanzierungskosten zu erwarten.

Wie sehr der Repo-Aspekt die Finanzindustrie und die Politik in Atem hält, spiegelt auch eine Stellungnahme des deutschen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann wider: Er warnte vor erheblichen Beeinträchtigungen am Repomarkt, die dazu führen könnten, dass die Institute wieder stärker auf die Geldversorgung durch die Europäische Zentralbank zurückgreifen müssten. Wie aus der EZB zu hören ist, sei diese Formulierung noch relativ zurückhaltend gewesen. Die Zentralbank sei hinter den Kulissen äußerst intensiv dabei, dem Entwurf der EU-Kommission die Zähne zu ziehen.

Euphorie verflogen

Erste Bremsspuren machen sich bereits bemerkbar. Nach der Euphorie infolge der Einigung von elf Staaten, die Abgabe ab 2014 im Alleingang einzuführen – eine EU-weite Lösung war am Widerstand u. a. Großbritanniens, Schwedens und Luxemburgs gescheitert -, herrscht Katzenjammer. Die Probleme mit der Einführung der Abgabe wurden erst vor kurzem in einem sechsseitigen Papier einer Ratsarbeitsgruppe dokumentiert, die dem Portal Euobserver.com zugespielt wurden. Auch hier werden die Repos thematisiert, zudem Fragen des Geltungsbereichs und der Einhebung.

Der Entwurf erfasst sowohl Produkte als auch Handelsparteien aus den elf Teilnehmerstaaten, zu denen auch Österreich zählt. Dadurch würde beispielsweise der Verkauf einer Wienerberger-Aktie durch eine japanische an eine US-Bank in New York unter die Besteuerung fallen. Doch wer verpflichtet die Institute außerhalb der EU zur Bezahlung? Auch der Handel einer Apple-Aktie in Singapur zwischen JPMorgan und Deutscher Bank wäre steuerpflichtig. Letzteres Institut wäre sogar für die Abführung der Steuer durch die nichteuropäische Bank verantwortlich.

Politisch verliert das Projekt, das bis zu 35 Milliarden Euro bringen soll, an Rückendeckung. Deutschland verzögere die Beratungen in der Arbeitsgruppe, Frankreich sorge sich um seinen Derivatemarkt, heißt es. Bei dem Vorhaben habe sich die Politik "mehr aus einer moralischen Verpflichtung heraus leiten lassen", meint ein in die Beratungen involvierter Diplomat. Die negativen Folgen der FTS seien ausgeblendet worden. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 6.5.2013)