Herausgeberin Maria Mesner: "Johanna Dohnals politische Vehemenz schwang auch in ihren Vorträgen und öffentlichen Reden mit."

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Johannal Dohnal war eine begnadete Rednerin, auch ohne Manuskript - hier am Wiener Stephansplatz.

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Bearbeitete Manuskript-Blätter von Johanna Dohnal

Foto: Johanna Dohnal Archiv

"Am Podium war sie meist sehr spontan und sensibel im Aufnehmen von Stimmungen", so Heidi Niederkofler.

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Maria Mesner, Heidi Niederkofler (Hg.):
"Jo
hanna Dohnal. Ein politisches Lesebuch"

Mandelbaum Verlag, 2013,
294 Seiten, 19,90 Euro

Cover: Mandelbaum Verlag
"Am schwierigsten war es, den Platz für Frau Dohnal zu sichern, die ja eine wandelnde Provokation ist", erinnerte sich Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky, wie er 1979 die erste Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Regierung berief. Unbequem sein und nicht locker lassen war Dohnals Devise. Sich in alles einmischen und mit Frauen aus dem Volk zusammenarbeiten. Ein Ohr für deren Anliegen haben und diese gegen jeden Widerstand vertreten.

"Johanna Dohnal war Politikerin aus Leidenschaft, die ihre Forderungen mit enormer Willenskraft durchsetzte. Diese Vehemenz schwang auch in ihren Vorträgen und öffentlichen Reden mit", sagen Maria Mesner und Heidi Niederkofler vom Johanna-Dohnal-Archiv heute. Eine Auswahl der Reden haben die beiden Historikerinnen nun in einem Buch zusammengetragen, um sie einem breiteren Publikum zu eröffnen: "Johanna Dohnal. Ein politisches Lesebuch" orientiert sich an den frauenpolitischen Themen und Geschehnissen seit Beginn der 1970er-Jahre. Die enthaltenen Reden Dohnals markieren jeweils einen bestimmten Punkt in der politischen Auseinandersetzung zu einem Thema. Expertinnen aus Politik und Wissenschaft stellen diese in einen zeitgeschichtlichen Kontext, erklären Zusammenhänge zwischen damals und heute und analysieren die Entwicklungen.

Warum "immer wieder Dohnal"?

In den letzten Jahren ist eine rege Auseinandersetzung mit dem politischen Leben Johanna Dohnals entstanden. Warum "immer wieder Dohnal"? "Es gibt nicht viele so sichtbare Politikerinnen wie sie", sagt Maria Mesner. "Sie war erste Frauenstaatssekretärin und erste österreichische Frauenministerin, unter ihrer Amtsführung wurden einige zentrale frauenpolitische Innovationen erreicht und: Sie ist nicht mehr im Amt. Damit eignet sie sich besser zur Ikone als Menschen im Amt, die mehr Angriffsfläche bieten, umstrittener sind, mehr Reibungspunkte auslösen."

Während ihrer Amtszeit bot Johanna Dohnal Reibungspunkte und Angriffsflächen mehr als genug. "Dass sie heute manchmal so dargestellt wird, als wäre sie in ihrer Schaffenszeit populär gewesen, ist ein Mythos. Das war sie ganz und gar nicht", schildert Dohnal-Biografin Susanne Feigl. "Johanna Dohnal polarisierte. Sie hatte zwar die Unterstützung der Feministinnen und so manchen klugen Mannes wie Bruno Kreisky, aber für weite Kreise der Bevölkerung war sie ein richtiges Feindbild. Zum Teil auch in der eigenen Partei. "

"Unnötigstes Mitglied der Regierung"

Als Johanna Dohnal Ende der 70er-Jahre Selbstbewusstseinsseminare für Frauen startete, wurde ihr vorgeworfen, sie zerstöre die Familien. Männer von Seminarteilnehmerinnen würden aus der Partei austreten, weil sie nun mit einer Emanze verheiratet sind. Der "Kronen Zeitung"-Kolumnist Staberl bezeichnete sie 16 Jahre lang als "unnötigstes Mitglied der Regierung".

Als 1978 auf Dohnals Initiative hin das erste Frauenhaus Österreichs in Wien eröffnete, seien "die Parteigenossen weiß geworden bis in die Lippen", so Feigl. "Und am Parteitag 1991 ist sie von mehr als 30 Prozent der Delegierten gestrichen worden, weil sie forderte, dass die Quotenregelung von 25 Prozent beim nächsten Parteitag erweitert werden sollte."

Johanna Dohnal ging ihren Weg trotz aller Hürden zielstrebig weiter. "Sie hatte ein besonderes Talent fürs Politische, ein feines Gespür dafür, was möglich war und ausgereizt, was gerade noch ging", sagt Maria Mesner. "Sie hatte ganz konkrete Visionen, wie Gesellschaft aussehen könnte, wusste, wohin sie wollte, war dabei aber immer offen für andere Meinungen und diskutierte ihre Forderungen auf breiter Basis. Auch die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg war typisch für sie."

Wegweisefunktion

Diese Wegweisefunktion musste sich auch in Dohnals Reden widerspiegeln. Ihre Redenschreiberinnen waren deshalb herausgefordert, den Gestus der Politikerin einzubringen, sich in das jeweilige Zielpublikum einzufühlen und einen authentischen Zugang und Ton zu treffen.

Nicht immer hielt sich Johanna Dohnal dann aber an die fertige Vorlage. Meist fügte sie handschriftliche Ergänzungen, Striche, Änderungen und Kommentare ein. Draußen am Rednerpult schließlich legte sie das Skript dann oftmals beiseite und sprach frei improvisierend von der Leber weg. Vor allem, wenn ihr ein Thema sehr am Herzen lag und sie sich damit gut auskannte.

"Am Podium war sie meist sehr spontan und sensibel im Aufnehmen von Stimmungen", so Niederkofler. "Oft hat sie Tagesaktuelles angesprochen, wenn sie merkte, dass das ihr Publikum beschäftigte, auch wenn es mit der Veranstaltung gar nichts zu tun hatte. Es ist wichtig, zu wissen, dass vieles live von ihr anders gesagt wurde, als es im Archiv auf Papier dokumentiert ist."

Wissbegierig

Um gute Argumente zu haben, war Johanna Dohnal ihr Leben lang bereit, dazuzulernen, sich weiterzubilden und bei ExpertInnen zu informieren. Gute Vorbereitung war der Politikerin sehr wichtig. "Wenn ich eine gute Rede habe, geht's mir gut, wenn ich eine schlechte habe, geht's mir schlecht", antwortete sie ihrer Biografin einmal auf die Frage, ob sie manchmal Lampenfieber habe.

"Sie hat nichts locker genommen, deshalb war sie auch abhängig von guten Mitarbeitern", so Feigl. Von diesen habe sie "enorm viel verlangt, weil sie selbst so viel weiterbringen wollte. Ihr war dabei durchaus bewusst, dass sie auch ungehalten sein konnte, wenn sie mit einem Ergebnis nicht zufrieden war."

Andere Zeit, starke Persönlichkeit

Lag es auch an der Zeit, die begünstigte, dass Johanna Dohnal in ihrer Arbeit rückblickend so erfolgreich war? Hätte sie heute dieselben Chancen wie damals? "Darüber lässt sich nur spekulieren", sagt Maria Mesner. "Bestimmte Zeiten bringen bestimmte Personen hervor, weil sie bestimmte politische Sozialisationsverläufe haben, die 20 oder 30 Jahre später einfach nicht mehr denkbar sind. Die Voraussetzungen sind andere, wenn jemand mit Schwung gegen zwar verschlossene, aber doch brüchig gewordene Türen anlaufen kann."

In den 70er- und 80er-Jahren seien mit der Eherechtsreform oder der Fristenregelung frauenpolitische Forderungen erfüllt worden, die zum Teil schon seit über hundert Jahren offen waren. Bis 1983 habe es zudem Alleinregierungen gegeben, die es leichter machten, große Vorhaben umzusetzen als in einer Koalition. "Zudem hatte Dohnal Rückenwind durch die autonome Frauenbewegung, BündnispartnerInnen über die SPÖ hinaus und die außerparlamentarische Bewegung der 70er-Jahre."

Politische Ausnahmefigur

Johanna Dohnal kam zur Hochblüte der zweiten Frauenbewegung ins Amt. "Sie hat noch über Jahrzehnte hinweg Politik mitgestalten können", sagt Heidi Niederkofler über die äußeren Umstände, die den Erfolg der Politikerin mit begünstigten. "Solche langen Amtsperioden, in der PolitikerInnen planen, prägen, ausrichten und Strukturen wachsen konnten, gibt es heute nicht mehr. Zudem war sie eine Person, für die die Menschen Sympathie empfanden, von der sie sich verstanden fühlen konnten, weil sie keine so große Distanz zu ihr verspürten."

Für Susanne Feigl macht es vor allem Johanna Dohnals Persönlichkeit aus, dass sie zur politischen Ausnahmeerscheinung und feministischen Leitfigur wurde: "Ihr ging es nicht darum, Karriere zu machen, sondern um die Sache. Sie war ein sehr offener Mensch mit ausgesprochenem Interesse an anderen Menschen, was für PolitikerInnen eher untypisch ist. Der Kontakt zur Basis war ihr wichtig: Sie konnte gut zuhören und hat die Bedürfnisse von Frauen ernst genommen. Sie wollte deren Benachteiligungen tatsächlich ein Ende setzen. Sie wollte etwas verändern." (isa, dieStandard.at, 18.3.2013)