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Neurodermitis manifestiert sich meist bereits im ersten Lebensjahr.

Foto: APA/Oliver Berg

"Stellen Sie sich vor, Ihr gesamter Körper ist ständig von Gelsenstichen überzogen": So schilderte Kinderarzt Karl Zwiauer am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien die Hauptsymptomatik von Neurodermitis.

Die Erkrankung hat viele Namen - das Gefühl, "aus der Haut fahren" zu wollen, verbindet alle Patienten. Vor allem den Kleinsten macht der Juckreiz erheblich zu schaffen. Stress wie der des bevorstehenden Schul- oder Kindergartenbeginns kann die Symptome der nicht heilbaren Erkrankung verschlechtern.

Pharmakonzern startet Kampagne

In der westlichen Welt sollen bis zu 20 Prozent aller Kinder betroffen sein, wobei sich Neurodermitis meist bereits im ersten Lebensjahr manifestiert. Die Haut von Betroffenen hat sozusagen einen Strukturdefekt, der bis dato nicht behoben werden kann. Nicht zuletzt deshalb, weil man die Ursache nicht kennt. Zu den verstärkenden Faktoren zählten allerdings eindeutig Nervosität und Anspannung, und der eine oder andere Auslöser lässt sich verhindern oder reduzieren. Mehr als die Hälfte aller Fälle bricht bereits im Säuglings- und Babyalter aus.

Oft sind gerade die Allerjüngsten am gesamten Körper betroffen. Zur Hauptverantwortung des Umfeld zählt es, den Nachwuchs möglichst vom Kratzen abzuhalten. Unter dem Motto "Schule, juckt mich (nicht)! Wenn Schulstress unter die Haut geht" hat der Pharmakonzern Astellas in Printversion und Animationsfilm ein Märchen mit spielerischen Tipps erstellt, das den kleinen Neurodermitis-Patienten ihren Zustand altersgerecht verständlich machen soll. Erhältlich ist die Broschüre ab sofort bei Dermatologen und Kinderärzten.

Begriff "Neurodermitis" irreführend

Die chronische, nicht ansteckende Hautkrankheit zählt zur Gruppe der atopischen Erkrankungen und ist auch unter den Bezeichnungen atopisches Ekzem, atopische Dermatitis, endogenes oder chronisch konstitutionelles Ekzem, Asthmaekzem oder Prurigo Besnier bekannt. Die wohl geläufigste Bezeichnung Neurodermitis sei irreführend, weil mittlerweile widerlegt wurde, dass eine Nervenentzündung zugrunde liegen könnte. Die Therapie der schubweise auftretenden Erkrankung, die meist einen individuellen Verlauf nimmt, muss von Fall zu Fall jedenfalls abgestimmt werden.

Die gesamte Familie sei also in der Pflicht, erläuterte Mediziner Zwiauer. Als Vater eines Neurodermitis-Patienten kenne er durchaus aus erster Hand die Ohnmacht, ambivalenten Gefühle und den sozialen Druck. Vor allem die auf den ersten Blick sichtbaren Symptome können das Umfeld überfordern. Es kommt zu einem Teufelskreis: Unruhe verschlimmert die Situation, auf den Juckreiz mit vermehrtem Kratzen reagiert, was wiederum zu Entzündungen führt, die noch mehr Disziplin und Konsequenz erfordern.

Um die Hauptsymptomatik unter Kontrolle zu bekommen, müssen sowohl akute als auch vorbeugende Maßnahmen gesetzt werden. Bei der medikamentösen Behandlung kommen zwei Substanzklassen zum Einsatz, von denen vor allem Cortison immer noch einen schlechten Ruf hat. Zwiauer verwies aber darauf, dass die Wirksamkeit gerade in akuten Phasen beziehungsweise bei schweren Schüben durchaus für den Wirkstoff spreche. (APA/red, derStandard.at, 4.9.2012)